Entscheidungsstichwort (Thema)
Cannabis. Brolamfetamin. zertifiziertes Saatgut. wissenschaftliche Zwecke. Wirkstoffgehalt. Missbrauch. Verbotsirrtum
Leitsatz (amtlich)
Für Anl. I zu § 1 Abs. 1 BtMG "Brolamfetamin, Buchstabe b) 1. Alternative (zertifizierter Anbau) ist neben dem Anbau mit zertifiziertem Saatgut auch bei dieser ersten Alternative der Ausnahmeregelung des lit. b) (und nicht nur bei der zweiten Alternative: Wirkstoffgehalt bis 0,2 %) zusätzlich erforderlich, dass der Verkehr mit den Cannabisprodukten ausschließlich gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken dient, die einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen.
Normenkette
BTMG § 1; BtMG §§ 29, 1 Abs. 1 Anlage 1; StGB § 17
Verfahrensgang
LG Paderborn (Entscheidung vom 09.11.2015) |
AG Höxter (Entscheidung vom 24.06.2015) |
LG Münster (Aktenzeichen 15 Ns 72 Js 5720/15 (4/16)) |
Tenor
- Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
- Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Paderborn zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Höxter - Schöffengericht - hat den Angeklagten mit Urteil vom 24.06.2015 (Bl. 243 ff. d. A.) wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen, davon in einem Fall in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt.
Auf die Berufung des Angeklagten hat die 3. kleine Strafkammer des Landgerichts Paderborn dieses Urteil mit Urteil vom 09.11.2015 (Bl. 296 ff. d. A.) aufgehoben und den Angeklagten freigesprochen. In der Sache hat das Landgericht unter anderem folgende Feststellungen getroffen bzw. im Rahmen der Urteilsgründe ausgeführt:
"Mit Anklageschrift vom 23.04.2015 hat die Staatsanwaltschaft Paderborn dem Angeklagten vorgeworfen, in der Zeit vom 28.11.2011 bis zum 15.05.2012in Xdurch 7 selbstständige Handlungen mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel getrieben zu haben,wobei es sich in einem Fall (Fall Nr. 6) um Betäubungsmittel in nicht geringer Menge gehandelt habe und er in den übrigen Fällen gewerbsmäßig gehandelt habe. Im Tatzeitraum sei der Angeklagte Inhaber der Firma I unter der Anschrift X gewesen. Es handele sich hierbei um einen sogenannten Head-Shop,in dem unter anderem Industriehanf,zum Teil als Räucherhanf oder als Inhalt von sogenannten Duftkissen, verkauft werde. Der Angeklagte habe Industriehanf verkauft,ohne geeignete Maßnahmen zu ergreifen,um einen Missbrauch des Hanfes zu Rauschzwecken auszuschließen.Teilweise habe der Wirkstoffgehalt des Hanfes über der Grenze von 0,2%gelegen. So habe er in der Zeit vom 26.10.2011 bis zum 15.05.2012 (Fall Nr. 6) 5kg Hanf an den gesondert verfolgten T in Lverkauft.Diese Hanfmenge sei,bis auf eine sichergestellte Restmenge,gewinnbringend durch T weiterveräußert worden.Der Wirkstoffgehalt der sichergestellten Restmengen des Hanfes habe einen Wirkstoffgehalt von 0,28 % bis 0,4% gehabt. In den gelieferten 5kg Hanf sei somit insgesamt mindestens 10 gTHC enthalten gewesen. Weiter habe der Angeklagte in der Zeit vom 06.03. bis zum 31.03.2012(Fall Nr. 7) nach entsprechender Bestellung per Internet,2Hanfduftkissen,beschrieben als Antistress- und Duftkissen mit jeweils 30 gHanf an den gesondert verfolgten Q in U verkauft.Dieser habe einen Teil des Hanfes zu Rauschzwecken verwendet.Der Angeklagte habe die Taten begangen,um sich eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen.
Bezüglich der in der vorbezeichneten Anklageschrift enthaltenen Vorwürfe zu den Ziffern 1-5 ist das Verfahren in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 24.06.2015 gemäß §154 StPO eingestellt worden,im Hinblick auf die zu erwartende Verurteilung wegen der verbleibenden Anklagepunkte zu den Ziffern 6 und 7.
Hinsichtlich der verbliebenen Anklagepunkte war der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sowie der Einlassung des Angeklagten betätigt sich dieser seit Ende der Neunzigerjahre gewerblich im Bereich desAnbaus von Hanf, der Produktion von Hanfprodukten und deren Vertrieb.Er bezieht den Hanf von Bauern, die mit von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zertifiziertem Saatgut anbauen,wobei der Angeklagte die Ernte selbst durchführt. Die fertigen Produkte vertreibt er unter anderen in einem Internet-Shop mit dem Namen I. Verkauft wird an jedermann,Kunden im Groß- und Einzelhandel sowie Endabnehmer (Konsumenten).
Weiter hat sich der Angeklagte dahin gehend geständig eingelassen, dass er imHerbst 2011 an Herrn T wiederholt Hanf-Duftkissen in verschiedenen Größen veräußert habe, unter anderem habe eine Lieferungaus 5kg Hanf der Sorte Carmagnola bestanden. Ausweislich des in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Gutachtens des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der Bundesfinanzverwaltung (bwz Zoll) vom 10.08.2012 beinhalteten die bei Herrn T aufgefundenen...