Leitsatz (amtlich)
Eine Abhängigkeit von Betäubungsmitteln führt für sich allein noch nicht zu einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit. Vielmehr sind nach der Rechtsprechung solche Folgen bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise in folgenden Fallgruppen möglich, nämlich wenn:
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langjähriger Betäubungsmittelkonsum zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat,
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der Täter unter starken Entzugserscheinungen zum Tatzeitpunkt gelitten hat und dadurch getrieben wurde, sich mittels einer Straftat Mittel für den Drogenerwerb zu verschaffen,
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das Delikt im Zustand eines aktuellen Rausches verübt wurde oder
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bei Heroin- oder Cracksucht der Täter von der Angst vor Entzugserscheinungen, die der Täter schon als äußerst unangenehm erlebt hat und die er als nahe bevorstehend einschätzt, bei der Tat getrieben wurde.
Verfahrensgang
AG Bielefeld (Aktenzeichen 10 Ds 1034/07) |
Tenor
1.
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, soweit eine Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Strafrichter - Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Bielefeld hat den Angeklagten mit dem angefochtenen Urteil wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgericht entwendete der Angeklagte am 15.09.2007 aus den Auslagen der Firma N in C 24 Pakete Tabak zu einem Gesamtverkaufswert von mehr als 112,- Euro. Mangels anderer Finanzquellen wollte er den Tabak entweder unmittelbar gegen Heroin eintauschen oder aber den Erlös aus dem Tabakverkauf zum Heroinerwerb nutzen.
Der Angeklagte konsumiert seit 2003 wieder Heroin (nachdem er zuvor 10 Jahre abstinent war) und zusätzlich auch Kokain. Der Angeklagte war am 06.09.2007 aus einer vierzehnmonatigen Strafhaft entlassen worden. Zu deren Beginn hatte er zwei Wochen lang Methadon erhalten und musste in der Folgezeit ohne weitere Hilfe ohne Heroin auskommen. Nach seiner Entlassung konsumierte er sofort wieder Heroin (2-3 Gramm/Tag). Eine zu diesem Zeitpunkt angedachte Therapie sagte er ab.
II.
Die zulässige Revision hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet.
1.
Die Revision ist zulässigerweise auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden. Das ergibt sich aus dem Antrag in der Revisionsbegründungsschrift ("das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 04.12.2007 im Strafausspruch aufzuheben"), der korrespondiert mit der Ausführung der Sachrüge, welche sich ebenfalls nur gegen die Nichterörterung der Strafmilderung nach den §§ 21, 49 StGB richtet. Demgegenüber scheint der Satz "Das angefochtene Urteil wird der allgemeinen Sachrüge insgesamt zur Nachprüfung gestellt" nicht geeignet, von einer unbeschränkten Anfechung auszugehen. Hierbei handelt es sich offenbar - angesichts der oben genannten Umstände und angesichts des Umstandes, dass dieser Satz auch unter der Überschrift "I. Verfahrensrüge", die aber gar nicht erhoben wird, steht - um ein Versehen.
Da die Feststellungen keinen Anhaltspunkt für eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten nach § 20 StGB geben, ist der Rechtsfolgenausspruch auch getrennt vom Schuldspruch überprüfbar und die Rechtsmittelbeschränkung wirksam.
2.
Das Urteil war im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben, soweit eine Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist. Im übrigen weist es keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
a)
Ein sachlich rechtlicher Mangel liegt darin, dass das Amtsgericht nicht erkennbar geprüft hat, ob eine Maßregel nach § 64 StGB anzuordnen war. Nach den Feststellungen drängte sich eine solche Prüfung auf. Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt bereits langjährig und hochgradig heroinabhängig und konsumierte zudem auch Kokain. Die Tat wurde nach den amtsgerichtlichen Feststellungen zum Zwecke des späteren Erwerbs von Betäubungsmitteln begangen. Eine Therapie war bereits nach der letzten Haftentlassung geplant, aber vom Angeklagten nicht durchgeführt. Soweit der Angeklagte vorbestraft ist, beruhen seine Vortaten nach den amtsgerichtlichen Feststellungen jedenfalls zum Teil auch auf seiner Betäubungsmittelabhängigkeit.
Angesichts dieser Feststellungen liegt es nahe, dass der Angeklagte den in § 64 Abs. 1 StGB beschriebenen Hang aufweist. Hierunter fällt nicht nur eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit, sondern es genügt eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol oder andere Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, ohne dass dieses den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss (vgl. BGH Beschluss vom 18.07.2007 - 5 StR 279/07; Senatsurteil vom 12.02.2008 - 3 Ss 548/07). Die von dem Angeklagten...