Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß Art. 3 Abs. 1, 2 EGVVG ist auf Ansprüche, die am 1.1.2008 noch nicht verjährt waren, die Verjährungsfrist anzuwenden, die früher abläuft. Ist die Frist nach neuem Recht (§§ 195, 199 BGB) länger als die nach altem Recht (§ 12 VVG a.F.), greift die kürzere zweijährige Verjährungsfrist des § 12 Abs. 1 S. 1 VVG a.F. ein.

2. Die Aufnahme von Verhandlungen nach einer ablehnenden Entscheidung des Versicherers hemmt den Ablauf der Verjährungsfrist nur dann, wenn der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer zu erkennen gibt, dass er die vorausgegangene Entscheidung nicht aufrechterhalten will oder wenigstens die Berechtigung der angemeldeten Ansprüche wieder als offen ansieht. Allein aus der Beantwortung von Gegenvorstellungen des Versicherungsnehmers durch den Versicherer unter Beibehaltung des zuvor eingenommenen Standpunktes kann dabei nicht auf ein Abgehen von der früheren Entscheidung geschlossen werden, selbst wenn sich der Versicherer darin erneut mit der Frage seiner Leistungspflicht auseinandersetzt und vor der Beantwortung noch einige Nachforschungen hat anstellen müssen.

 

Normenkette

EGVVG Art. 3 Abs. 1-2; VVG a.F. § 12

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 22.09.2010; Aktenzeichen 4 O 597/09)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.9.2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bochum wird zurückgewiesen.

Der Klägerin werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

A. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Entschädigungsleistungen aus einer bei der Beklagten unterhaltenen Wohngebäudeversicherung (Versicherungsschein-Nr. S 7...), der die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 88) - Fassung Mai 2003 - zugrunde liegen.

Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundbesitzung "I B-Allee 23" iN. 1 E. Im Dachgeschoss des Objektes kam es am 6.6.2006 zu einem Brand, durch den der Dachstuhl des zu diesem Zeitpunkt unstreitig leer stehenden Gebäudes einschließlich der Eindeckung zerstört wurde.

Nachdem die Klägerin der Beklagten den Brandschaden mit Telefax vom 27.6.2006 (Anlage 2 zur Klageschrift, Bl. 15 d.A.) gemeldet hatte, lehnte die Beklagte eine Regulierung erstmals mit Schreiben vom 18.7.2006 (Anlage B 8 zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 1.7.2010, Bl. 171/172 d.A.) und erneut mit Schreiben vom 9.8.2006 (Anlage B 9 zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 1.7.2010, Bl. 173/174 d.A.), 31.8.2006 (Anlage 7 zum Schriftsatz der Klägervertreter vom 18.5.2010, Bl. 108 d.A.) und 4.10.2006 (Anlage B 10 zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 1.7.2010, Bl. 175 d.A.), auf deren Wortlaut wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, ab. Zur Begründung ihrer Leistungsablehnung verwies die Beklagte in allen Schreiben jeweils darauf, dass sie leistungsfrei sei, da es die Klägerin - was zwischen den Parteien streitig ist - vor dem Schadenfall unterlassen habe, rechtzeitig eine Gefahrerhöhung, nämlich den - jedenfalls am Schadenstag unstreitig bestehenden - Leerstand und stark vernachlässigten Unterhaltungszustand des Gebäudes anzuzeigen.

Nachdem die Klägerin die Beklagte schließlich mit Schreiben ihrer damaligen Bevollmächtigten, der Rechtsanwälte T2, I1, I2 vom 11.5.2007 (Anlage zum Terminsprotokoll vom 23.3.2011), auf dessen Wortlaut wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, unter Fristsetzung bis zum 25.5.2007 aufgefordert hatte, ihre Einstandspflicht anzuerkennen, lehnte die Beklagte ihre Einstandspflicht nochmals mit Schreiben vom 25.7.2007 (Anlage 10 zum Schriftsatz der Klägervertreter vom 18.6.2010, Bl. 154/155 d.A.) ab. In dem v. g. Schreiben der Beklagten, auf das wegen der weiteren Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird, heißt es eingangs:

"In vorstehender Angelegenheit beziehen wir uns auf den bislang geführten Schriftwechsel. Da hier noch einige Nachforschungen angestellt werden mussten, hat sich die Beantwortung ihres Schreibens vom 11.5.2007 verzögert. Hierfür bitten wir um Nachsicht. In der Sache selbst hat sich ein neuer Sachverhalt nicht ergeben. Insoweit halten wir an den Ausführungen in unserem Schreiben vom 4.10.2006 fest. (...)"

Mit Schreiben vom 11.8.2009 (Anlage 4 zur Klageschrift, Bl. 19/20 d.A.), auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, zeigten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Übernahme ihrer Interessenvertretung an und forderten die Beklagte unter Klageandrohung auf, bis zum 21.8.2009 die Regulierungspflicht dem Grunde nach anzuerkennen. Erneut lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 13.8.2009 (Anlage 5 zur Klageschrift, Bl. 21 d.A.), auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird, ihre Einstandspflicht unter Verweis auf die unterlassene Anzeige einer Gefahrerhöhung ab. Nach am 19.1.2010 e...

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