Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Kilometer-Leasingvertrag handelt es sich nicht um eine Finanzdienst-leistung im Sinne von § 356 Abs. 3 S. 3 BGB.
2. Die Ausübung des Widerrufs bei einem Kilometer-Leasingvertrag ist rechtsmissbräuchlich, wenn dadurch eine formale Rechtsstellung ausgenutzt wird, um sich einen ungerechtfertigten wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen und sonst keine erheblichen sachlichen Gründe für den Widerruf vorliegen. Ein ungerechtfertigter wirtschaftlicher Vorteil wird jedenfalls dann erstrebt, wenn der Kilometer-Leasingvertrag im Zeitpunkt des Widerrufs zu einem Großteil vollzogen war, keine Abnahmeverpflichtung bzw. kein Andienungsrecht besteht und der Leasingnehmer keinen Nutzungsersatz anbietet. Sachliche Gründe können sich aus Unstimmigkeiten über die Vertragsabwicklung oder aus der Verletzung von Vertragspflichten durch den Leasinggeber ergeben; die bloße fehlerhafte Widerrufsbelehrung reicht dafür nicht aus.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 8 O 157/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld, 8. Zivilkammer, vom 14.10.2020 (8 O 157/20) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger beantragte unter dem 3.4.2016 den Abschluss eines "Vario-Finanzierung-sowie Full-Service-Vertrags" unter Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Teil A und B) auf Formularen der Beklagten für einen Neuwagen des Typs F (..). Den Antrag erhielt der Kläger, nachdem er auf der Homepage der Beklagten das Fahrzeug konfiguriert hatte, zugesandt und sandte ihn ausgefüllt und unterschrieben an die Beklagte zurück. Dem Antrag beigefügt war eine Übersicht über die "Konfiguration und Ausstattung" des Fahrzeugs.
Der von der Beklagten vorformulierte Antrag lautete auf Seite 7 wie folgt:
"Bestellvollmacht, Vermittlungsauftrag, Konditionsbedingungen und Datennutzung
Bestellvollmacht
Hiermit bevollmächtigt der Vertragsnehmer die A Leasing AG (...), o.g. Neufahrzeug aus dem Vertragsverhältnis bei einem A-Partnerhändler zu bestellen.
Verbindlicher Vermittlungsauftrag zum Erwerb eines Neufahrzeugs
Hiermit erteilt der Vertragsnehmer der A Leasing AG den verbindlichen Vermittlungsauftrag zum Erwerb des o.g. Neufahrzeugs im Namen des Vertragsnehmer und auf Rechnung der A Leasing AG gemäß den Konditionen des frei bleibenden Antrags Nr. antrag01. Mit Abschluss des Vario-Finanzierungsvertrags tritt die A Leasing AG anstelle des Vertragsnehmers in den Kaufvertrag ein. Der Kaufpreis wird durch die A Leasing AG geschuldet. Die A Leasing AG wird Eigentümerin des Fahrzeugs."
In den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Vario-Leasing von Kraftfahrzeugen" hieß es unter anderem wie folgt:
16.4 Bei Rückgabe eines Fahrzeugs im Rahmen eines Leasingvertrages mit Kilometerabrechnung (Restwertrisiko bei A) gilt folgende Regelung:
Hat der Leasingnehmer die vereinbarte Gesamtfahrleistung überschritten, erfolgt für jeden mehr gefahrenen Kilometer eine Nachbelastung zu dem im Leasingvertrag festgelegten Nachbelastungssatz. Ist die vereinbarte Gesamtfahrleistung nicht erreicht, wird dem Leasingnehmer für jeden weniger gefahrenen Kilometer, höchstens jedoch für 10.000 km der im Leasingvertrag festgelegte Erstattungsbetrag vergütet. Bei einer Über- bzw. Unterschreitung der Gesamtfahrleistung bis zu 2500 km erfolgt weder eine Nachbelastung noch eine Erstattung. Es handelt sich dabei um eine Freigrenze (...)
Entspricht das Fahrzeug nicht dem Zustand gemäß Ziff. 17.1 und ist das Fahrzeug hierdurch im Wert gemindert, ist der Leasingnehmer zum Ausgleich verpflichtet. (...) Die Bewertung des Sachverständigen ist Grundlage der Abrechnung. (...)
17. FAHRZEUGRÜCKGABE
17.1 Bei Fahrzeugrückgabe muss das Fahrzeug in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden, sowie verkehrs- und betriebssicher, sein. Verschleißspuren gelten nicht als Schaden. (...)
Weiter enthielt der Antrag vorformulierte "Kaufoptionsbedingungen für Vario-Finanzierung", die unter anderem lauteten:
"1.Kaufoption, Bedingung, Ausübung der Kaufoption, Frist, Schlusszahlung
a) Die A Leasing AG (nachfolgend A genannt) räumt hiermit dem Vertragsnehmer (nachfolgend Käufer genannt) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen das Recht ein, das in ihrem Eigentum stehende Leasingobjekt (nachfolgend Kaufgegenstand genannt) zum Ende der regulären Vertragslaufzeit zu dem in dem Vario-Finanzierungsvertrag vereinbarten Kaufpreis zu kaufen (nachfolgend Kaufoption genannt). Es steht im freien Belieben des Käufers, ob er von diesem Optionsrecht Gebrauch macht. (...)"
Auf Seite 13 der Antragsunterlagen findet sich unter...