Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckungsgegenklage des Kreditinstituts nach dem Einbehalt von Kapitalertragssteuer. Voraussetzungen des Erfüllungseinwandes. Kapitalertragssteuerabzug von einer durch Prozessvergleich titulierten, an den Anleger zu leistenden Schadensersatzzahlung wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Zeichnung eines Schiffsfonds. zur Frage der "eindeutigen Erkennbarkeit" des Nichtbestehens einer Kapitalertragssteuerpflicht aufgrund des zum Vertrieb der Beteiligung verwendeten Anlageprospekts

 

Normenkette

BGB §§ 185, 362 Abs. 1-2; EStG § 20 Abs. 3, §§ 43-44; ZPO §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Essen (Aktenzeichen 6 O 358/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 23. November 2017 - Az. 6 O 358/17 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Gemäß § 540 Abs. 1 ZPO wird bezüglich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der tatsächlichen Feststellungen auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.

Das klagende Kreditinstitut wendet sich im Wege der Vollstreckungsgegenklage gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem zwischen den Parteien in einem Rechtsstreit umgekehrten Rubrums geschlossenen Vergleich (LG Essen - 6 O 76/17), in dem die Beklagte die Klägerin wegen angeblich fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch genommen hatte.

Streitgegenständlich war in dem Ausgangsrechtsstreit ein geschlossener, in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft geführter Schiffsfonds, an dem sich die Beklagte auf Empfehlung der Klägerin beteiligt hatte. So war die Beklagte nach persönlicher Beratung durch eine Mitarbeiterin der Klägerin mit Beitrittserklärung 21.02.2007 als Treugeber-Kommanditistin mit einem Nominalbetrag von 10.000 EUR zuzüglich 5 % Agio dem Schiffsfonds "O ..." beigetreten (vgl. Anlage K1, Beiakte). Bei dieser als Dachfonds konzipierten Beteiligung investierte der Anleger quotal in zwei geschlossene Einschiffsgesellschaften ("Q2" GmbH & Co. KG und "Q" GmbH & Co. KG), deren Gegenstand jeweils der Erwerb und Betrieb eines modernen Massengutfrachters war (vgl. u.a. S. 7 f. des Anlageprospekts; Anlage K3, Beiakte). Nach den Prospektangaben basierte die steuerliche Konzeption des Fonds darauf, dass der Anleger als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG einzustufen war und als solcher Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte (vgl. u.a. S. 75 ff. des Prospekts). Die Fondsbeteiligung entwickelte sich nicht wie prospektiert.

In dem Ausgangsrechtsstreit hatte die Beklagte - gestützt auf diverse beratungspflichtige Pflichtverletzungen - von der Klägerin im Wesentlichen die Erstattung des investierten Anlagekapitals zuzüglich Agio abzüglich empfangener Ausschüttungen Zug um Zug gegen Übertragung der streitgegenständlichen Beteiligung, entgangene Anlagezinsen in Höhe von 3,5 % p.a. und die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Ihren Anlageschaden hatte die Beklagte seinerzeit mit 8.407 EUR beziffert (10.000 EUR + 500 EUR Agio - 2.093 EUR Ausschüttungen, vgl. Klageschrift S. 25, Bl. 25 der Beiakte).

In der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2017 schlossen die Parteien vor dem Landgericht Essen zur Verfahrensbeendigung folgenden Vergleich (Bl. 149 der Beiakte):

"1. Die Beklagte zahlt an die Klägerin 4.000,00 EUR.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit diesem Vergleich alle Ansprüche der Klägerin aus der streitgegenständlichen Beteiligung der Q GmbH & Co. KG und Q2 GmbH & Co. KG (J-Kapital T GmbH, O ...), eine Beteiligung vom 07.02.2007 über 10.000 EUR plus 5 % Agio, erledigt sind.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die gerade genannte Beteiligung bei der Klägerin verbleibt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben."

Zum 18.07.2017 überwies die Klägerin in Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtung aus dem Vergleich an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 3.248,16 EUR (Anlage K1, Bl. 7 d.A.). Den Restbetrag behielt die Klägerin - unter Berücksichtigung eines Steuerfreibetrags von 1.314,37 EUR - in Höhe von 656,64 EUR als Abgeltungssteuer, in Höhe von 36,11 EUR als Solidaritätszuschlag und in Höhe von 59,09 EUR als Kirchensteuer ein. Am 09.08.2017 nahm sie eine Kapitalertragssteueranmeldung bei dem zuständigen Finanzamt vor.

Mit vorgerichtlichem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.08.2017 forderte die Klägerin die Beklagte zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs auf und unterrichtete diese mit weiterem Anwaltsschreiben vom 04.09.2017 über den vorgenommenen Steuerabzug. Die Beklagte trat mit Schriftsätzen ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30.08.2017 und vom 27.09.2017 dem Einbehalt und der Abführung von Kapitalertragssteuern e...

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