Verfahrensgang

LG Paderborn (Urteil vom 04.10.1990; Aktenzeichen 3 O 311/90)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4. Oktober 1990 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels insoweit abgeändert, als das Landgericht der Widerklage stattgegeben hat.

Die Widerklage wird ebenfalls abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von je 1.000,– DM abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

Das Urteil beschwert beide Parteien in Höhe von weniger als 60.000,– DM.

Soweit es die Widerklage betrifft, wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Durch Rechtsnachfolge/Vertragsübernahme traten die Klägerin als Pächterin und der Beklagte als Verpächter in einen Tankstellenpachtvertrag vom 01.03.1973 (FK Bl. 20 ff. d.A.) ein, der bis zum 31.12.1990 lief und sich auch danach um je 2 Jahre verlängerte, „wenn er nicht von einem der Vertragspartner zum Schluß des Kalenderjahres mit einer Frist von 6 Monaten durch eingeschriebenen Brief gekündigt” wurde (§ 2 Pachtvertrag). Nach Vertragsbeendigung soll der Pächter „für jeden Fall der Weiterverpachtung” ein Vorpachtrecht haben (§ 6 Pachtvertrag).

Der Beklagte hat durch Anwaltsschreiben vom 22.06.1990 die Kündigung zum 31.12.1990 ausgesprochen. Das Schreiben ist der Klägerin, nach mehreren gescheiterten Zustellungsversuchen im Juni 1990, allerdings erst am 02.07.1990 zugegangen. Die Klägerin hält die Kündigung deshalb für unwirksam und hat auf Feststellung geklagt, daß der Vertrag mindestens bis zum 31.12.1992 fortdauert. Der Beklagte hat widerklagend auf Feststellung der Unwirksamkeit der Vorpachtregelung in § 6 Pachtvertrag geklagt, die er für sittenwidrig hält.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter und beantragt,

in Abänderung des angefochtenen Urteils

  1. festzustellen, daß das Pachtverhältnis der Parteien über den 31.12.1990 hinaus fortbesteht,
  2. die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Der Berufung ist ein Teilerfolg nicht zu versagen.

1.

Erfolglos bleibt sie zwar bezüglich der Klage. Diese ist unbegründet. Das Pachtverhältnis ist, gleichgültig welcher Darstellung man folgt, wegen der Kündigung vom 22.06.1990 (bei der es sich der Sache nach um einen vertraglich vorgesehenen Widerspruch gegen eine Vertragsverlängerung handelt) zum 31.12.1990 ausgelaufen.

Nach Darstellung des Beklagten hat, entsprechend dem Postzustellervermerk „Annahme verweigert”, Personal der Klägerin selbst die Entgegennahme des Kündigungsschreibens abgelehnt. Die Klägerin hätte den Zugang danach grundlos verweigert – daß sie den absendenden Anwalt angeblich nicht kannte, ist selbstverständlich kein Verweigerungsgrund – mit der Folge, daß der Zugang zu fingieren ist oder die Klägerin sich auf den Nichtzugang doch jedenfalls nicht berufen kann (vgl. Soergel-Hefermehl, BGB, 12. Aufl., § 130 Rdnr. 27 f. m.w.N.). Für diese Rechtsfolge reicht es aus, daß sie mit der Kündigung rechnen mußte (vgl. BGH NJW 1983, 929), was hier in Anbetracht der Regelung in § 2 Pachtvertrag und des Beklagtenschreibens vom 01.06.1988 der Fall ist.

Nach Darstellung der Klägerin war ihr Geschäftsführer (und einziger Angestellter) vom 10. Juni bis Anfang Juli 1990 in Urlaub. Sollte wirklich deshalb die Zustellung mißlungen sein, kann das nur daran liegen, daß sie nicht diejenige Vorsorge für den Zugang von – auch eingeschriebener – Geschäftspost getroffen hat, die von einem Kaufmann zu erwarten ist (vgl. Soergel-Hefermehl, a.a.O., Rdnr. 25). Auch in diesem Fall muß sie sich darum so behandeln lassen, als sei das Schreiben zugegangen. Unabhängig von dieser allgemeinen Überlegung liegt es im übrigen auf der Hand, daß die Klägerin dem Beklagten die vertraglich vorgesehene Kündigung auch tatsächlich ermöglichen mußte. Aus Versäumnissen in Bezug auf diese vertragliche Nebenpflicht kann sie keine Rechte herleiten.

2.

Die Widerklage ist ebenfalls unbegründet; insofern hat die Berufung Erfolg. § 6 Pachtvertrag ist entgegen der Auffassung des Beklagten und des Landgerichts nicht wegen Sittenwidrigkeit unwirksam.

Die Klausel kann zwar dazu führen, daß der Beklagte, solange er das Grundstück durch Verpachtung nutzen will, auf Dauer die Klägerin als Pächterin behält; (das gilt auch für etwaige Rechtsnachfolger der Part...

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