Leitsatz (amtlich)
1. Bei dem Verkauf eines Grundstücks, hinsichtlich dessen lediglich die (spekulative) Hoffnung besteht, dass es in Zukunft Bauland werden kann, kann es an der für eine Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB erforderlichen verwerflichen Gesinnung auch dann fehlen, wenn der Kaufpreis nach objektiven Kriterien in einem besonders groben Missverhältnis zum Marktwert des Kaufobjekts steht.
2. Nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls ist der Verkäufer eines unbebauten Grundstücks im Außenbereich, das nicht Bauland ist, ungefragt nicht verpflichtet darüber aufzuklären, dass das Grundstück im Landschaftsschutzgebiet liegt.
Normenkette
BGB §§ 123, 138 Abs. 1, § 812
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 27.08.2014; Aktenzeichen 6 O 87/14) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.8.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Dortmund, Aktenzeichen 6 O 87/14, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt die Rückabwicklung eines notariellen Grundstückskaufvertrags der Parteien vom 16.11.2012 sowie Schadensersatz. Bei dem Kaufobjekt handelt es sich um drei unbebaute Grundstücke im rechtlichen Sinne, nämlich um die Flurstücke X, XX91 und XX92 der Flur X der G1 im E-er Süden. Zur Darstellung der örtlichen Verhältnisse wird auf den Auszug aus dem Liegenschaftskataster Bezug genommen, der dem privaten Wertermittlungsgutachten des Sachverständigen T vom 5.5.2006, Anlage B4 zur Klageerwiderung, anhängt (Bl. 77 der Akten). Der dort mit dem Buchstaben "A" bezeichnete Geländestreifen gehört zum Flurstück X.
Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, dass der Beklagte sie arglistig über die zukünftige Bebaubarkeit des Kaufobjekts getäuscht habe. Tatsächlich sei eine Bebauung wegen der (unstreitigen) Lage in einem Landschaftsschutzgebiet dauerhaft nicht möglich. Vor diesem Hintergrund meint die Klägerin, dass der Kaufpreis von 53.000 EUR für das insgesamt 2.291 m2 große Kaufobjekt sittenwidrig überhöht sei, so dass der Kaufvertrag nichtig und daher rückabzuwickeln sei. Hilfsweise, so die Klägerin weiter, folge die Nichtigkeit aus ihrer auf § 123 Abs. 1 BGB gestützten Anfechtungserklärung vom 2.12.2013.
Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien und weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Ergänzend ist Folgendes festzustellen:
Die Klägerin bzw. ihre Mutter C, die die Vertragsverhandlungen führte, besichtigte das Kaufobjekt in Begleitung eines Herrn H, der dem Beklagten als "Immobilienfachmann" oder "Bausachverständiger" vorgestellt wurde.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.8.2014 ist unstreitig geworden, dass die Klägerin und ihre Mutter vor Vertragsschluss keinen Einblick in das o.g. Wertermittlungsgutachten vom 5.5.2006 hatten, der Beklagte sich jedoch in den Vertragsverhandlungen auf das Ergebnis des Gutachtens - Verkehrswert 51.000 EUR - berief. Der Beklagte übersandte der Klägerin das Gutachten mit Schreiben vom 19.11.2012, also kurz nach Vertragsschluss.
Das LG hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vollumfänglich abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge unverändert weiter. Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts durch das LG.
Die Klägerin meint, dass die Annahme eines Spekulationsgeschäfts ohne vorherigen Hinweis eine unzulässige Überraschungsentscheidung des LG darstelle. Sie behauptet erneut, dass der Beklagte von der - behaupteten - dauernden Unbebaubarkeit des Kaufobjekts gewusst habe. Aufgrund des Wertermittlungsgutachtens vom 5.5.2006 habe der Beklagte gewusst, dass es sich bei der verkauften Fläche überwiegend um "Unland" handle.
Die Klägerin behauptet weiterhin, dass eine Bauvoranfrage zum Kaufobjekt mit Bescheid vom 24.4.2008 abschlägig beschieden worden sei und dass der Beklagte hiervon Kenntnis erlangt habe. Sie meint, dass die negative Bescheidung entgegen den Ausführungen des LG offenbarungspflichtig gewesen sei. Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Klägerin wird auf die Berufungsbegründung vom 7.11.2014 und die Schriftsätze vom 10.12.2014, 15.12.2014, 5.1.2015 und 26.1.2015 Bezug genommen (Bl. 162 ff., 177 ff., 199 ff., 206 f., 217 ff. der Akten).
Der Beklagte beantragt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens die Zurückweisung der Berufung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 27.11.2014 und die wei...