Leitsatz (amtlich)
Örtlich zuständig für eine Zahlungsklage des Darlehensnehmers nach Widerruf eines mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags ist grundsätzlich das Gericht, in dessen Bezirk der Sitz der beklagten Bank liegt (§§ 12, 17, 29 Abs. 1 ZOP).
Aufgrund der Entscheidung des Gesetzgebers für eine Vorleistungspflicht des Darlehensnehmers nach §§ 358 Abs. 4 Satz 1, 357 Abs. 4 Satz 1 BGB sind etwaige Gründe für eine Übertragung der Rechtsprechung zum gemeinsamen Erfüllungsort bei Ansprüchen nach einem Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag entfallen.
Normenkette
BGB §§ 355, 357-358, 495; ZPO §§ 12, 17, 29
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 6 O 67/21) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.04.2021 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen (Az. 6 O 67/21) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Landgerichts - auch im Kostenpunkt - aufgehoben und der Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an das zuständige Landgericht München I verwiesen wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. Die Entscheidung über die Kosten erster Instanz bleibt dem Urteil des Landgerichts München I vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zum 21.03.2023 auf bis 25.000,00 EUR und ab dem 22.03.2023 auf bis 19.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit und Rechtsfolgen eines Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages gerichteten Willenserklärung der Klägerin.
Die im Bezirk des Landgerichts Essen wohnhafte Klägerin erwarb bei der A und B GmbH & Co KG in C einen Gebrauchtwagen Mini One Clubman zum Kaufpreis von 23.790,00 EUR, auf den sie eine Anzahlung i.H.v. 7.000,00 EUR leistete. Zur Finanzierung des restlichen Kaufpreises sowie einer Ratenschutzversicherung in Höhe von 522,80 EUR gewährte die Beklagte ihr mit Vertrag vom 11.01.2017, Antragsnummer 01, ein Darlehen über einen Nettodarlehensbetrag i.H.v. 17.312,80 EUR.
Nachdem das Darlehensverhältnis im Februar 2020 durch Zahlung der Schlussrate vertragsgemäß beendet worden war, erklärte die Klägerin mit E-Mail vom 15.12.2020 den Widerruf ihrer auf Abschluss des Vertrages vom 11.01.2017 gerichteten Willenserklärung. Das Fahrzeug befindet sich nach wie vor in ihrem Besitz.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien in erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (...) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es sei für den Antrag auf Rückabwicklung des Darlehensvertrages nicht nach § 29 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig, da nicht von einem "einheitlichen Erfüllungsort" am Wohnsitz der Klägerin auszugehen sei. Dem stehe die Entscheidung des BGH vom 27.10.2020 - XI ZR 498/19 entgegen; die Rückgabepflicht der Klägerin sei mangels anderweitiger Vereinbarung eine Bring- oder Schickschuld, die der Schuldner dem Gläubiger an dessen Wohnsitz anbieten oder an ihn absenden müsse. Überdies wäre die Klage unbegründet, weil die Klägerin ihre auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen habe. Die Ausübung des Widerrufsrechts wäre sowohl angesichts des erst nach einverständlicher Beendigung des Darlehensvertrags erklärten Widerrufs verwirkt als auch aufgrund der Weiternutzung des Fahrzeugs rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (...) Bezug genommen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie macht geltend, das Landgericht Essen sei örtlich zuständig, weil nach Widerruf eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrages ein einheitlicher Erfüllungsort am Wohnsitz des Verbrauchers bestehe. Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien die Pflichtangaben nicht ordnungsgemäß erteilt worden, so u.a. die Angaben zum Verzugszinssatz. Die Ausführungen des Landgerichts zur Verwirkung bzw. zum Rechtsmissbrauch seien mit dem Urteil des EuGH vom 09.09.2021 (C-33/20, C-155/20, C-187/20) nicht zu vereinbaren. Hinsichtlich der Berechnung des von ihr geschuldeten Wertersatzes beantragt die Klägerin, das Verfahren auszusetzen und die von ihr hierzu formulierte Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV zur Entscheidung vorzulegen.
Unter Zurücknahme ihrer Berufung in Höhe eines Zahlungsanspruchs von 8.163,21 EUR beantragt die Klägerin nunmehr,
1.a. festzustellen, dass sie gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 25.403,00 Euro abzgl. Wertersatz der Beklagten in Höhe von 8.163,21 Euro (für den Wertverlust am streitgegenständlichen Fahrzeug) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit hat, der nach Rückgabe und Übereignung des Kraftfahrzeugs der Marke E Modell D mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... am Sitz...