Leitsatz (amtlich)
1. Eine Identität des Streitgegenstands fehlt bei einer Klage auf Feststellung, dass der Darlehensnehmer aufgrund seines Widerrufs aus dem Darlehensvertrag keine Leistungen mehr schuldet (negative Feststellungsklage), und einer Leistungsklage, die auf Rückzahlung der vom Darlehensnehmer erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen sowie der Anzahlung für den finanzierten Kaufgegenstand gerichtet ist.
2. Der in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zum Ausdruck kommende Grundsatz der perpetuatio fori findet seine Grenze im Falle einer Klageänderung nach § 263 ZPO oder einer qualitativen Klageerweiterung.
3. Ein Sachzusammenhang und/oder prozessökonomische Erwägungen können einen Gerichtsstand für die Zahlungsklage des Darlehensnehmers an seinem Wohnsitz nicht begründen.
4. Eine hilfsweise erklärte Erledigung der Hauptsache ist mit mit einem auf Verurteilung gerichteten Hauptantrag nicht zu vereinbaren.
Normenkette
ZPO §§ 12, 17, 29, 91a Abs. 1, § 261 Abs. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 14 O 230/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 1. Juli 2021 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster (Az.: 014 O 230/20) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 40.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.
Der in J. wohnende Kläger erwarb im März 2016 einen gebrauchten A. zu einem Kaufpreis von 39.890,00 Euro. Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von 10.900,00 Euro. Zur Finanzierung des darüber hinausgehenden Kaufpreises schloss er mit der Beklagten, die ihren Sitz in X. hat, am 29. März 2016 einen Darlehensvertrag über 28.990,00 Euro. Das Darlehen mit einem Sollzinssatz von 3,92 % war ab Mai 2016 in monatlichen Raten von 261,53 Euro sowie einer im April 2021 fälligen Schlussrate in Höhe von 17.950,50 Euro zurückzuzahlen.
Der Darlehensvertrag enthielt eine Widerrufsinformation. Hinsichtlich des konkreten Wortlauts der Widerrufsinformation sowie des gesamten Vertrages wird auf die als Anlage K1 (Bl. 13 ff. LGA) eingereichte Ablichtung Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2020 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 4. März 2020 als verfristet zurück.
Mit Anwaltsschreiben vom 26. März 2020 wiederholte der Kläger den Widerruf, bot die Rückgabe des finanzierten Fahrzeuges an und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 9. April 2020 auf, mitzuteilen, wann und wo die Übergabe des Fahrzeugs stattfinden soll. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 1. April 2020 erneut zurück.
Mit seiner beim Landgericht Münster erhobenen Klage hat der Kläger zunächst die Feststellung begehrt, dass seine primären Leistungspflichten aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 29. März 2016 über 28.990,00 Euro zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des Widerrufs vom 25. Februar 2020 erloschen sind.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei von der Beklagten nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden. Aus diesem Grund stehe ihm ein zeitlich unbegrenztes Widerrufrecht zu. Die ihm zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde enthalte zudem nicht sämtliche erforderlichen Pflichtangaben.
Nachdem der Kläger das Darlehen mit Zahlung der Schlussrate im April 2021 vollständig abgelöst und die Beklagte das ihr eingeräumte Sicherungseigentum am Fahrzeug freigegeben hatte, hat der Kläger seinen Antrag mit Schriftsatz vom 2. Juni 2021 für erledigt erklärt.
Er hat sodann beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 44.542,30 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen, nach Herausgabe des Kraftfahrzeugs A. Fahrzeug- Identifizierungsnummer FIN01 an die Beklagte,
2. hilfsweise festzustellen, dass der ursprüngliche Klageantrag zulässig und begründet war und sich durch die Beendigung des Leistungsaustausches erledigt hat.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen, und hilfswiderklagend
1. festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, das Fahrzeug A., Fahrzeug-Identifizierungsnummer FIN01, an sie herauszugeben und an sie Wertersatz in Höhe der Differenz zwischen dem Verkehrswert des Fahrzeugs A. Fahrzeug-Identifizierungsnummer FIN01 zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger und dem Verkehrswert des vorbezeichneten Fahrzeugs zum Zeitpunkt ...