Entscheidungsstichwort (Thema)
Maklerhaftung: Umdeckung einer Krankenversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Empfiehlt der Versicherungsmakler die Umdeckung einer langjährig bestehenden Krankheitskostenversicherung, so hat er über die Auswirkungen des Verlustes von Alterungsrückstellungen zu beraten und zuvor die Möglichkeit eines die Alterungsrückstellungen erhaltenden Tarifwechsels beim Altversicherer zu prüfen. Auch hat er - erst recht bei Kunden im fortgeschrittenen Lebensalter - auf eine sorgfältige und gewissenhafte Beantwortung der Gesundheitsfragen des Neuversicherers hinzuwirken.
2. Zur Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens bei der Umdeckung einer Krankheitskostenversicherung (hier offengelassen).
3. Jedenfalls dann, wenn der Versicherungsmakler bei der umdeckungsbezogenen Beratung die schriftlich gestellten Gesundheitsfragen des Neuversicherers bagatellisiert oder durch sonstige sinnverschiebende mündliche Zusätze in ihrer Bedeutung verfälscht, können auch die Mehrkosten, die durch den Rücktritt des Neuversicherers vom Versicherungsvertrag und das Erfordernis des Abschlusses einer Krankheitskostenversicherung bei einem dritten Versicherer entstehen, zum ersatzfähigen Schaden gehören (hier bejaht).
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 18 O 216/21) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung - das am 31.08.2023 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche Schäden zu ersetzen, die aus dem Versicherungswechsel der privaten Krankenversicherung des Klägers und seiner Ehefrau Anfang des Jahres 2019 entstanden sind, soweit sie nicht auf Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (Ansprüche der F.) in Höhe von 1.522,07 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 11 % und der Beklagte 89 %.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die jeweilige Gegenpartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den beklagten Versicherungsmakler teils aus eigenem und teils aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau, der Zeugin V. U. (nachfolgend auch: Zeugin), auf Schadensersatz wegen Beratungsfehlern im Hinblick auf einen Wechsel des Krankenversicherers in Anspruch.
Im Jahr 2018 überprüfte der Beklagte das Versicherungsportfolio des Klägers und seiner Familie und beriet den Kläger u.a. über einen Wechsel des Krankenversicherers. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger bei der G. (so auch im Folgenden für: G. V.V.a.G.) versichert, die Zeugin und die gemeinsamen drei Kinder waren mitversicherte Personen. Der Kläger und die Zeugin waren zuletzt versichert in den Tarifen N03, N04, N07, N05 und N06.
In dem - vom Kläger unterzeichneten - Beratungsprotokoll vom 00.00.2018 ist niedergelegt, dass der Kläger künftig eine höhere Beitragsstabilität wünsche (Bl. 91 ff. eGA-I). Dem vorausgegangen war eine schriftliche Analyse des Versicherungsportfolios vom 00.00.2018 (Bl. 24 ff. eGA-I), mit der der Beklagte aufgrund der "Gesamtsituation der G." bzw. der "zurückliegenden Entwicklung der Beiträge" einen Wechsel zur X. (so auch im Folgenden für: X. Krankenversicherung a.G.) anregte. In dem entsprechenden Abschnitt der Analyse heißt es hierzu:
"Weiterhin besteht für das Ehepaar und drei Kinder eine Krankenvollversicherung bei der G. mit folgenden Leistungen:
Versicherte Person: Familie U.
- ambulante Behandlung als Privatpatient
- stationäre Unterbringung im Einzelzimmer mit Chefarztbehandlung
- Zahnbehandlung 100%
- Zahnersatz 80%
Der monatliche Beitrag beläuft sich auf EUR 1.255, -. Es kommt eine generelle Selbstbeteiligung von 20% zum Tragen.
Aufgrund der Gesamtsituation der G. bzw. der zurückliegenden Entwicklung der Beiträge, würden wir hier eine Alternative bei einem Versicherungsverein sehen. Folgende Leistungen könnten hier erreicht werden:
Versicherte Person: Familie U.
- ambulante Behandlung als Privatpatient, bei den Eltern nach Primärarztprinzip
- stationäre Unterbringung im Einbettzimmer mit Chefarztbehandlung
- Zahnbehandlung 100%
- Zahnersatz 80%
Der monatliche Beitrag würde sich hier auf EUR 1.089,- inkl. Gesundheitsbonus reduzieren. Bei den Kindern käme eine fallbezogene Selbstbeteiligung von EUR 20,- je Fall zum Tragen. Bei den Eltern würde sich die jährliche Selbstbeteiligung auf EUR 1.000,- im ambulanten Bereich belaufen. Weitere Informationen hierzu entnehmen Sie bitte den beiliegenden Bedingungen."
In weiteren Gesprächen erklärte der Beklagte dem Kläger, ...