Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn bloße Zweifel am Bestehen der Nichtschuld einem Herausgabeverlangen nicht entgegenstehen, kann nach den besonderen Umständen des Einzelfalls bei Leistung trotz bestehender Zweifel ein Verzicht auf Bereicherungsansprüche zu sehen sein, wenn der Empfänger aus dem Verhalten des Leistenden nach Treu und Glauben den Schluss ziehen durfte, der Leistende wolle die Leistung gegen sich gelten lassen, unabhängig vom Bestehen der Schuld (BGH v. 09.05.1960 - III ZR 32/59 - juris Rn. 28 - BGHZ 32, 273,280).
2. Erforderlich ist eine erkennbare Absicht des Leistenden, seine Leistung auch für den Fall der Nichtschuld bewirken zu wollen. Maßgeblich ist dabei, wie das Verhalten des Leistenden im Einzelfall objektiv aufzufassen ist.
Normenkette
StVG § 7; VVG § 115; BGB § 812 Abs. 1 S. 1, § 814
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 18.06.2015; Aktenzeichen I-2 O 123/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das am 18.06.2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Bochum teilweise abgeändert.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Gerichtskosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 73 % und die Beklagte zu 2) zu 27 %.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) und 73 % der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2).
Die Beklagte zu 2) trägt 27 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Im Übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe
I. Der Kläger und die Beklagte zu 2) machen gegenseitig Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 20.12.2013 auf einem Parkplatzgelände in C geltend.
Die Beklagte zu 2) zahlte als Krafthaftpflichtversicherer des Beklagten zu 1) im März 2014 auf der Grundlage ihres Abrechnungsschreibens vom 03.03.2014 an den Kläger auf den von diesem mit 20.433,60 EUR bezifferten Gesamtschaden einen Betrag von 5.460,42 EUR. Die Abrechnung nahm die Beklagte zu 2) auf Totalschadensbasis vor, wobei sie von einer Haftungsquote von 50 % ausging.
Mit vorliegender Klage hat der Kläger nach Instandsetzung des Fahrzeugs den noch offenen Betrag von 14.973,18 EUR verlangt.
Das LG hat den Kläger gem. § 141 ZPO persönlich angehört und ein schriftliches verkehrsanalytisches Gutachten über den Hergang des Unfalls durch den Sachverständigen Prof. T eingeholt.
Dieses hat ergeben, dass die Ausgangsgeschwindigkeit des von dem Kläger gesteuerten Mercedes zwischen 30 und 40 km/h betrug, während die Geschwindigkeit des von dem Beklagten zu 1) gefahrenen Toyotas 0 bis 2 km/h betrug. Nach Vorlage des Gutachtens hat die Beklagte zu 2) widerklagend Rückzahlung des von ihr vorprozessual gezahlten Betrages von 5.460,42 EUR verlangt, da sie die Regulierung in Unkenntnis der von dem Kläger gefahrenen überhöhten Geschwindigkeit vorgenommen habe.
Durch das angefochtene Urteil, auf das gem. § 540 ZPO Bezug genommen wird, soweit sich aus dem Nachstehenden nichts Anderes ergibt, hat das LG die Klage abgewiesen und den Kläger auf die Widerklage hin antragsgemäß verurteilt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge unter Einschluss des Verlangens auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten weiter verfolgt. Das LG habe verkannt, dass er gegenüber dem Beklagten zu 1) vorfahrtsberechtigt gewesen sei. Selbst wenn dem nicht so wäre, habe der Beklagte zu 1) jedenfalls die Kurve stark geschnitten, so dass er ihm in vollem Umfang zum Schadensersatz verpflichtet sei. Die Widerklageforderung sei unbegründet, weil ein Rückforderungsrecht der Beklagten zu 2) nicht bestehe. Denn diese habe die Zahlung ohne jeden Vorbehalt erbracht.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat den Kläger und den Beklagten zu 1) persönlich gem. § 141 ZPO angehört und den Sachverständigen Prof. T um mündliche Ergänzung seines schriftlichen Gutachtens gebeten. Hinsichtlich des wesentlichen Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 15.07.2016 verwiesen.
II. Die Berufung des Klägers hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagten der auf die §§ 7 Abs. 1, 17 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG gestützte Schadensersatzanspruch nicht zu, so dass das erstinstanzliche Urteil insoweit Bestand hat. Hingegen hat die Berufung insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Zuerkennung der Widerklage richtet. Auf die Berufung des Klägers war das angefochtene Urteil daher teilweise abzuändern und die Widerklage abzuweisen.
Zur Klage:
1. Die Voraussetzungen für die Haftung des Beklagten zu 1) gemäß § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB und für die Haftung der Beklagten zu 2) gemäß § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG sind dem Grunde nach unproblematisch gegeben und vom LG zutreffend bejaht worden. Die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie deren Umfang hängen nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG von den Umständen, ins...