Leitsatz (amtlich)

1. Beim Erlass eines Feststellungsurteils über den Grund eines Schadensersatzanspruchs darf nicht offen gelassen werden, ob die die Feststellung begehrende Partei ein Mitverschulden trifft. Bei Vorliegen eines anspruchsmindernd zu berücksichtigenden Mitverschuldens ist im Tenor des Feststellungsurteils eine Mitverschuldensquote festzusetzen. Dies gilt auch dann, wenn das Mitverschulden im Feststellungsklageverfahren noch nicht abschließend bewertet werden kann, weil der anspruchsbegründende Sachverhalt bzw. die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist.

Das Feststellungsurteil hat bezüglich solcher Mitverschuldenseinwendungen, die sich auf Tatsachen stützen, die schon zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorgelegen haben, Präklusionswirkung. Von der Präklusion werden auch diejenigen Einwendungen und die diesen zugrunde liegenden Tatsachen umfasst, die während des Laufs des Feststellungsklageverfahrens bereits bestanden haben, aber dort nicht vorgetragen worden sind. Zukünftige Mitverschuldensbeiträge werden von der Rechtskraft des Feststellungsurteils hingegen nicht umfasst und können deshalb zum Gegenstand eines späteren Leistungsklageverfahrens gemacht werden.

Das Gericht muss im Rahmen der Feststellungsklage über die Quote des Mitverschuldens jedoch nur entscheiden, soweit dies möglich ist. Sollte es nach der gebotenen umfassenden Prüfung zu der Einschätzung gelangen, dass keine gesicherte Grundlage für die Bestimmung einer Mitverschuldensquote gegeben ist, kann es ausnahmsweise davon absehen, eine solche Quote festzusetzen. Wenn dieser Umstand in den Urteilsgründen ausdrücklich dargelegt und mit einer nachvollziehbaren Begründung versehen wird, kann auch eine Präklusionswirkung bezüglich etwaiger Mitverschuldenseinwendungen nicht eintreten.

2. Im Rahmen einer Klage auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht ist ein besonderes Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO gegeben, wenn zum Zeitpunkt der Klageerhebung der anspruchsbegründende Sachverhalt bzw. die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und mit (weiteren) Schäden zu rechnen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt besteht. An dieser gewissen Schadenswahrscheinlichkeit fehlt es dann, wenn der Rechtsstreit lediglich gedachte Fragen zum Gegenstand hat, von denen ungewiss ist, ob sie mangels möglicher Schadensrealisierung jemals praktische Bedeutung erlangen. Materiell-rechtliche Gesichtspunkte, die Auswirkungen darauf haben können, ob ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist bzw. noch entstehen wird, sind nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Feststellungsklage, sondern erst im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der Feststellungsklage zu berücksichtigen.

3. Vom Vorliegen eines besonderen Feststellungsinteresses i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO ist stets auszugehen, wenn die Gefahr besteht, dass der im Rahmen der Feststellungsklage geltend gemachte Anspruch (alsbald) verjährt. Das Erfordernis der "alsbaldigen" Verjährung ist nicht so zu verstehen, dass die Verjährung unmittelbar bevorstehen muss. Insofern ist jedenfalls dann ein großzügiger Prüfungsmaßstab anzulegen, wenn absehbar ist, dass es der klagenden Partei nicht möglich sein wird, vor Eintritt der Verjährung einzelner der von ihr geltend gemachten Ansprüche eine umfassende Leistungsklage zu erheben.

4. Ein Feststellungsantrag genügt dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dann, wenn er das Rechtsverhältnis, dessen Bestehen festgestellt werden soll, so genau bezeichnet, dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft des begehrten Feststellungsausspruchs keinerlei Ungewissheit bestehen kann. Bei Schadensersatzansprüchen ist zur hinreichend genauen Angabe des festzustellenden Rechtsverhältnisses die bestimmte Bezeichnung des zum Schadensersatz verpflichtenden Ereignisses ausreichend. Im Rahmen eines Verzugsschadensersatzanspruchs ist eine konkrete Festlegung und Bezeichnung des Verzugszeitraums im Feststellungsantrag nicht erforderlich.

 

Normenkette

BGB § 280 Abs. 1-2, § 286; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1, § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Essen (Urteil vom 27.02.2013; Aktenzeichen 41 O 54/12)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weiter gehenden Berufungsbegehrens das am 27.2.2013 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Essen (41 O 54/12) mit dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das LG Essen zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage als Rechtsnachfolgerin der U Aktiengesellschaft (zur Vereinfachung nachfolgend ebenfalls als "Klägerin" bezeichnet) - nach im Berufungsverfahren erfolgtem Parteiwechsel - die Feststellung, dass ihr die Beklagte als Auftragnehmerin aus einem Anlagenbauve...

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