Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Beweislast bzw. Beweislastumkehr, wenn der Oberschenkelhalsbruch einer gestürzten Heimbewohnerin durch den Sturz ausgelöst worden sein kann oder durch eine durch Osteoporose ausgelöste Spontanfraktur.
Normenkette
BGB §§ 278, 280, 823, 831
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 12.12.2012; Aktenzeichen 8 O 493/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des LG Dortmund vom 12.12.2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO und § 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO wird von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen abgesehen.
B.I. Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das LG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin, Frau L, weder aufgrund vertraglicher Grundlage aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Heimvertrag noch aus Delikt gemäß den §§ 823, 831 BGB zu.
1. Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2), bei der mangels vertraglicher Bindung allein eine deliktische Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, scheidet bereits deshalb aus, weil die Beklagte zu 2) als angestellte Pflegekraft gegenüber der Heimbewohnerin weder verkehrssicherungspflichtig war noch ihr gegenüber eine Garantenstellung inne hatte.
2. Die Klägerin hat darüber hinaus keinen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1) als Träger des Seniorenheims, in welchem die Versicherungsnehmerin untergebracht war. Den ihr obliegenden Beweis dafür, dass die Versicherungsnehmerin aufgrund eines eigenen Verschuldens des Beklagten zu 1) oder durch ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten zu 2), das sich der Beklagte zu 1) gem. § 278 BGB oder über § 831 BGB zurechnen lassen müsste, zu Schaden gekommen ist, hat die Klägerin nicht zu führen vermocht. Es steht nicht mit
der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit fest, dass der Oberschenkelhalsbruch, deren Heilbehandlungskosten die Klägerin mit vorliegender Klage erstattet verlangt, dadurch verursacht worden ist, dass der Beklagte zu 1) seine gegenüber der Versicherungsnehmerin bestehenden Obhutspflichten verletzt hätte.
1. Nach allgemeinen Beweislastregeln obliegt die Beweislast dafür, dass der Schaden, für den Ersatz verlangt wird, kausal auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten zu 1) beruht, der Klägerin als Anspruchsstellerin.
2. Eine Beweislastumkehr zu Lasten des Beklagten zu 1) kommt im gegebenen Fall nicht in Betracht.
a) Zwar hat sich - entgegen der Auffassung des LG in der angefochtenen Entscheidung- der vorliegende Schadensfall durchaus im Rahmen einer Situation ereignet, die dem Bereich des sog. "voll beherrschbaren Risikos" zuzuordnen ist und bei der nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung Beweiserleichterungen für den Geschädigten greifen können. Denn anders als der normale alltägliche Gefahrenbereich im Heim, der grundsätzlich in die Risikosphäre des Bewohners fällt und bei dem dieser im Schadensfall für die Pflichtverletzung und deren Kausalität darlegungs- und beweisbelastet ist, greift in einer konkreten Gefahrensituation, die gesteigerte (erfolgsbezogene) Obhutspflichten bezüglich des Heimbewohners auslöst und deren Beherrschung gerade einer speziell dafür eingesetzten Pflegekraft anvertraut ist, eine Beweislastumkehr analog § 280 Abs. 1 S. 2 n.F. (§ 282 BGB a.F.) ein, so dass sich der Heimträger entlasten muss (vgl. z.B. BGH vom 18.12.1990, NJW 1991, 1540).
Der vorliegende Fall eines begleitenden Toilettengangs einer unbestritten sturzgefährdeten Heimbewohnerin stellt sich als konkrete, auf den besonderen Schutz dieser Heimbewohnerin angelegte Pflegemaßnahme zweifellos als eine dem voll beherrschbaren Gefahren- und Verantwortungsbereichs zuzuordnende Situation dar.
b) Allerdings kann im konkreten Fall nicht festgestellt werden, dass sich in der Verletzung, für die die Klägerin hier Heilbehandlungskosten verlangen, tatsächlich auch ein Risiko verwirklicht hat, dass der Beklagte zu 1) aufgrund seiner vertraglichen Verpflichtung vollständig zu beherrschen hatte. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in erster Instanz, dessen Ergebnis von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen wird, verbleibt die Möglichkeit, dass der Sturz der Versicherungsnehmerin nur Folge eines Spontanbruches des Oberschenkelhalsknochens gewesen ist, nicht aber seine Ursache. Der Sachverständige Dr. T hat in seinem Sachverständigengutachten vom 15.10.2012 ausgeführt, dass sowohl für einen sturzausgelösten Oberschenkelhalsbruch als auch für eine durch eine Osteoporose beförderte Spontanfraktur verschiedene Indizien sprächen und die Ursache der Verletzung letztlich aus ärztlicher Sicht nicht geklärt werden könnte. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Fraktur nicht auf dem Sturzereignis beruhe, sondern eine Spontanfrakt...