Leitsatz (amtlich)

1. Das vom Geschädigten in einem Haftpflichtprozess nach einem Verkehrsunfall vorgelegte Schadensgutachten eines von ihm beauftragten Sachverständigen stellt stubstantiierten Parteivortrag dar. Werden Feststellungen im Schadensgutachten bestritten, ist auf Antrag des Geschädigten über die erheblichen Tatsachen Beweis zu erheben.

2. Zur Darlegung des Wiederbeschaffungswerts eines unfallbeschädigten Fahrzeugs, das unstreitig einen reparierten Vorschaden an anderer, deutlich abgrenzbarer Stelle erlitten hatte, genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast jedenfalls dann, wenn er einen durch Privatgutachten unterlegten Wert behauptet, der Vorschaden durch ein Schadensgutachten aktenkundig ist und der Geschädigte zudem unter Beweisantritt behauptet, dass dem Privatsachverständigen der Vorschaden bekannt gewesen ist. Der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zur Wertfeststellung steht dann nicht entgegen, dass der Kläger mangels eigener Kenntnisse nicht zu den konkreten den Vorschaden betreffenden Reparaturmaßnahmen vorträgt.

 

Normenkette

ZPO §§ 287, 538 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Urteil vom 17.07.2013; Aktenzeichen 2 O 528/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.7.2013 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Bochum einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das LG zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden haben wird.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 26.6.2012 auf dem Parkplatz des "U" Supermarktes in I ereignet haben soll.

Er behauptet, der Beklagte zu 1) habe mit dessen Pkw, einem P W, den in seinem Eigentum stehenden - auf dem Parkplatz abgestellten - C. i beim Einparken in eine Parkbucht dadurch beschädigt, dass er aus Unachtsamkeit mit der linken vorderen Ecke seines Pkw an der gesamten rechten Fahrzeugseite des klägerischen Fahrzeugs entlang geschrammt sei.

Das LG hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger habe keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Bemessung des an seinem Fahrzeug entstandenen Schadens vorgetragen. Das von ihm vorgelegte Schadengutachten sei als Nachweis für den erlittenen Schaden ungeeignet, weil darin ein Vorschaden an der linken Fahrzeugseite bei der Kalkulation des Wiederbeschaffungswerts nicht berücksichtigt worden sei, was sich bereits aus der Differenz des vom Gutachter ermittelten Wiederbeschaffungswertes von 26.000 EUR und dem zuvor vom Kläger gezahlten Kaufpreises von 17.000 EUR ergäbe. Beweis für seine Behauptung, dass der Vorschaden bei der Schadensbegutachtung berücksichtigt worden sei, habe er nicht angeboten. Auch im Übrigen sei er mangels ausreichenden Vortrages zum früher entstandenen Streifschaden an seinem Fahrzeug beweisfällig geblieben.

Der Kläger wiederholt mit der Berufung seine erstinstanzlichen Beweisanträge zur Berücksichtigung des Vorschadens bei der privaten Schadensbegutachtung und bemängelt die unterlassene Beweisaufnahme durch das LG.

Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 15.286,65 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.8.2012 zu zahlen, hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten weiterhin an ihrem erstinstanzlichen Bestreiten der Eigentümerstellung des Klägers an dem geschädigten Fahrzeug fest und verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die Berufung führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LG, denn das Verfahren des ersten Rechtszuges leidet an einem wesentlichen Mangel, auf Grund dessen eine umfangreiche und aufwendige Beweisaufnahme notwendig erscheint (§ 538 II Nr. 1 ZPO).

1) Der Mangel beruht darauf, dass das LG entscheidungserheblichen Sachvortrag des Klägers und Beweisantritte übergangen hat. Dadurch ist es ohne ausreichende Tatsachengrundlage zu der Auffassung gelangt, der Kläger habe den geltend gemachten Schaden bewiesen.

a) Soweit das LG das vom Kläger vorgelegte private Schadengutachten des Sachverständigen M als ungeeignet zum "Nachweis" des erlittenen Schadens

angesehen hat, weil dieser über den Vorschaden am Fahrzeug des Klägers nicht informiert gewesen sei, hat es übersehen, dass der Kläger für seine Behauptung, er habe den Sachverständigen umfassend über die Vorschäden an seinem Fahrzeug in Kenntnis gesetzt, Beweis durch Vernehmung des Sachverständen angeboten hat.

Darüber hinaus dient das private Schadengutachten auch nicht als Beweismittel i.S.d. §§ 371 ff. BGB, sondern es stellt lediglich konkretisierten Parteivortrag dar, der als Grundlage für die gem. § 287 ZPO vorzunehmende Schadensschätzung durch das Gericht dienen soll. Sind die mit Hilfe des privaten Schadengutachtens vorgetragenen Tatsachen streitig un...

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