Leitsatz (amtlich)
Auch in der Leitungswasserversicherung ist gestützt auf § 81 Abs. 2 VVG in Ausnahmefällen eine Kürzung auf null dann möglich, wenn der Versicherungsnehmer die Heizungsanlage in einem leer stehenden Gebäude über einen längeren Zeitraum im Winter vollständig stilllegt und trotzdem die wasserführenden Leitungen weder absperrt noch entleert.
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Urteil vom 01.06.2011; Aktenzeichen 1 O 153/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 1.6.2011 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Arnsberg wird zurückgewiesen.
Dem Kläger werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger ein Anspruch auf bedingungsgemäße Leistungen aufgrund eines am 2.1.2009 entdeckten Leitungswasserschadens zusteht.
Bei der Beklagten bestand für ein Wohngebäude auf dem Grundstück F Straße in M eine Verbundene Wohngebäudeversicherung, für die die VGB 88 vereinbart waren. In § 11 Nr. 1 VGB 88 (Anlage B 1 zur Klageerwiderung) waren die Obliegenheiten der Versicherungsnehmers in Bezug auf wasserführende Anlagen und Einrichtungen in nicht genutzten Gebäude- oder Gebäudeteilen sowie in der kalten Jahreszeit geregelt. Gemäß § 11 Nr. 2 VGB 88 war der Versicherer bei Verletzung dieser Obliegenheiten leistungsfrei.
Im März 2008 kaufte der Kläger das Grundstück und begann mit Renovierungsarbeiten in dem bereits seit März 2006 leer stehenden Wohnhaus. Im Winter 2008/2009 stellte er diese dann ein und legte die Heizung still. Die wasserführenden Leitungen im Hause entleerte er nicht. In einem der Kellerräume befand sich eine zusätzliche Kaltwasserleitung, die der Kläger für die von ihm auf demselben Grundstück betriebene Waschanlage benötigte und schon deshalb nicht abstellte.
Am 2.1.2009 oder kurze Zeit davor kam es aufgrund von Temperaturen von bis zu -10 C zu Frostaufbrüchen an der zur Wasserleitung für die Waschanlage gehörenden Wasseruhr sowie im Bereich des Heizkessels und an mehreren Heizkörpern. Wegen der Schäden im Einzelnen und des Ablaufs der vorgerichtlichen Regulierungsgespräche wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Der Kläger hat in erster Instanz behauptet, montags bis samstags denjenigen Keller, in dem die Wasseruhr montiert sei, durch einen Gasofen beheizt zu haben. Am Sonntag sei dies stets durch eine Elektroheizung geschehen. Morgens und abends sei der Keller durch den Zeugen B, mittags durch ihn selbst kontrolliert worden. Er hat ferner behauptet, ihm sei - entsprechend der gutachterlichen Stellungnahme des Zeugen B - durch die Frosteinwirkung ein Schaden i.H.v. insgesamt 37.750 EUR entstanden.
Der Kläger hat deshalb beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 37.750 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 23.5.2009 sowie außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 1.633,78 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat dazu u.a. behauptet, der Kläger habe gegenüber den Zeugen B1, M und B angegeben, eine Beheizung oder eine Kontrolle des Kellers weder selbst noch durch Dritte vorgenommen zu haben.
Das LG hat die Klage nach Vernehmung der Zeugen H, M, B1 und B2 insgesamt abgewiesen.
Zur Begründung hat der Einzelrichter zusammengefasst ausgeführt, dass sich die Beklagte zwar nicht auf eine Obliegenheitsverletzung i.S.v. § 11 Nr. 2 VGB 88 berufen könne, weil diese Regelung wegen Verstoßes gegen die seit 1.1.2008 geltenden §§ 32, 28 VVG neuer Fassung unwirksam sei und weder eine geltungserhaltende Reduktion noch eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen seien (s. dazu im Einzelnen die Seiten 8 und 9 des Urteils, Bl. 164/165 der Akte). Die Beklagte sei aber berechtigt, eine Leistungskürzung gem. § 81 Abs. 2 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls vorzunehmen. Dadurch, dass trotz kalter Witterung die Leitungen in dem Haus weder entleert noch das Haus beheizt worden seien, habe der Kläger den Versicherungsfall herbeigeführt. Ob die seiner Behauptung zufolge im Keller aufgestellte Gasheizung bzw. der mobile Elektroradiator als ausreichende Sicherungsmaßnahmen anzusehen seien, sei bereits fraglich. Das könne aber letztlich dahingestellt bleiben, denn die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger diese Sicherungsmaßnahmen nicht ergriffen habe.
Das LG hat deshalb ein grob fahrlässiges Handeln des Klägers angenommen und eine Kürzung des Anspruchs auf null für angemessen erachtet. Es handle sich um ein derart grobes Maß an Fahrlässigkeit, dass sein Handeln in objektiver wie subjektiver Hinsicht einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls gleichkomme. Von einem Vorsatz sei hier nur deshalb nich...