Leitsatz (amtlich)
1. Ein in einer Abschlusserklärung erklärter Verzicht des Schuldners "auf die Rechte aus §§ 926, 927 ZPO" soll lediglich dazu führen, dass eine erwirkte Unterlassungsverfügung im Ergebnis ebenso effektiv und dauerhaft zugunsten des Gläubigers wirkt wie ein in einem Hauptsacheverfahren erlangter Titel; der Gläubiger soll aber nicht besser stehen, als er bei einem rechtskräftigen Hauptsachetitel stünde, dem er unter den Voraussetzungen der §§ 323, 767 ZPO nachträglich entstandene Einwendungen entgegenhalten kann. Dementsprechend erstreckt sich ein solcher in einer Abschlusserklärung enthaltener Verzicht regelmäßig nicht auf die Geltendmachung veränderter Umstände, die auf einer Gesetzesänderung oder einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung beruhen (Anschluss an BGH, Urteil vom 02.07.2009 - I ZR 146/07, GRUR 2009, 1096 - Mescher weis).
2. Einer zur Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage gegen einen in der Hauptsache titulierten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch berechtigenden Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht es gleich, wenn eine bislang ungeklärte Rechtsfrage erstmals höchstrichterlich entschieden worden ist.
3. Zu der Frage, wann eine vorvertragliche Informationspflicht hinsichtlich einer vom Hersteller angebotenen gewerblichen Garantie besteht, weil der Unternehmer diese Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht (Fortführung von EuGH, Urteil vom 05.05.2022 - C-179/21, GRUR 2022, 832 und BGH, Urteil vom 10.11.2022 - I ZR 241/19, GRUR 2022, 1832 - Herstellergarantie IV).
Normenkette
BGB § 312d Abs. 1 S. 1; BVerfGG § 31; EGBGB a.F. Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9; EGBGB Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 12 n.F.; UKlaG § 10; UWG § 3 Abs. 1, §§ 3a, 5a Abs. 1, § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; ZPO §§ 767, 926-927
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 17 O 39/22) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.01.2023 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum (Az. 17 O 39/22) abgeändert.
Die Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Beschlussverfügung des Landgerichts Bochum vom 21.04.2020 - 17 O 29/20 - wird für unzulässig erklärt.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die vollstreckbare Ausfertigung der vorstehend bezeichneten einstweiligen Beschlussverfügung herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg.
1. Der Zulässigkeit der Vollstreckungsgegenklage steht - wovon das Landgericht mit zutreffender Begründung ausgegangen ist und gegen die keine Partei in der Berufungsinstanz etwas erinnert - nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger in seiner Abschlusserklärung vom 13.05.2020 "auf die Rechte aus §§ 926, 927 ZPO" verzichtet hat.
a) Ein solcher in einer Abschlusserklärung erklärter Verzicht des Schuldners soll lediglich dazu führen, dass eine erwirkte Unterlassungsverfügung im Ergebnis ebenso effektiv und dauerhaft zugunsten des Gläubigers wirkt wie ein in einem Hauptsacheverfahren erlangter Titel; der Gläubiger soll aber nicht besser stehen, als er bei einem rechtskräftigen Hauptsachetitel stünde, dem er unter den Voraussetzungen der §§ 323, 767 ZPO nachträglich entstandene Einwendungen entgegengehalten kann (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.2009 - I ZR 146/07, GRUR 2009, 1096, Rn. 14, 16 mwN., zit. nach juris - Mescher weis).
b) Dementsprechend erstreckt sich ein in einer Abschlusserklärung enthaltener Verzicht auf die Rechte aus §§ 926, 927 ZPO regelmäßig nicht auf die Geltendmachung veränderter Umstände, die auf einer Gesetzesänderung oder einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung beruhen (vgl. BGH, aaO., Rn. 25, zit. nach juris).
aa) Der Inhalt einer Abschlusserklärung ist nach allgemeinen Grundsätzen durch Auslegung zu ermitteln. Der Erklärungsgehalt richtet sich nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Wird in einer Abschlusserklärung auf die Rechte aus §§ 924, 926 und 927 ZPO ohne ausdrückliche Einschränkung verzichtet, so kann dem Verzicht nach Treu und Glauben kein weitergehender Erklärungsinhalt beigemessen werden, als er für den Zweck der Abschlusserklärung, die angestrebte Gleichstellung des vorläufigen mit dem Hauptsachetitel zu erreichen, erforderlich ist. Es kann nicht angenommen werden, dass der Unterlassungsschuldner auf die Rechte aus § 927 ZPO auch insoweit verzichten will, als sie mit den Einwendungen übereinstimmen, die einem rechtskräftigen Hauptsachetitel nach § 767 ZPO entgegengehalten werden könnten (vgl. BGH, aaO., Rn. 26 mwN., zit. nach juris).
bb) Gemessen an diesen Grundsätzen spricht dafür, dass auch der Kläger mit seiner Abschlusserklärung vorliegend keinen weitergehenden Verzicht erklären wollte, der Zusatz "..., so dass der einstweilige...