Verfahrensgang
LG Paderborn (Entscheidung vom 29.11.2022; Aktenzeichen 04 Ns 30/22) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 29. November 2022 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte eines Verstoßes gegen das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie in Tateinheit mit Beleidigung sowie in Tateinheit mit dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen schuldig ist.
Die Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, die durch das Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten sowie die dem Adhäsionskläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Paderborn hat den Angeklagten mit Urteil vom 11. April 2022 wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Ferner hat es ihn verurteilt, an den Adhäsionskläger 650 Euro nebst Zinsen "in Höhe von fünf Prozentpunkten" ab Rechtskraft der Entscheidung zu zahlen.
Die gegen dieses Urteil form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat das Landgericht Paderborn mit Urteil vom 29. November 2022 mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte wegen Verstoßes gegen das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu jeweils 10 Euro verurteilt worden ist. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an den Adhäsionskläger 650 Euro zu zahlen.
Zur Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Der Angeklagte veröffentlichte am 19.11.2020 gegen 20:24 Uhr in A auf seiner öffentlich einsehbaren Facebook-Seite eine Bildmontage, um seiner kritischen Meinung gegenüber der Corona-Politik der Bundesrepublik Ausdruck zu verleihen. Diese Bildmontage ist überschrieben mit "..."wes Brot ich ess, des Lied ich sing", war so, ist so, und bleibt auch so! ... Ich führe nur [es folgt die Bildmontage, Anm. des Unterzeichners] Befehle aus". Außerdem beinhaltet dieser Post zwischen den Worten "Ich führe nur" und "Befehle aus" eine Bildmontage, welche halbseitig ein Foto des SS-Obersturmbandführers J. H. in Uniform, mit "Totenkopfemblem" an der Mütze und mit der "Doppel -Siegrune" auf dem Kragen und auf der anderen Seite den uniformierten Adhäsionskläger und Zeugen Polizeihauptmeister B. zeigt. Der Angeklagte, der diese Fotomontage aus dem Internet entnommen hat, hat dabei die naheliegende Möglichkeit erkannt, dass der Zeuge B. keine Einwilligung zur Verwendung seines Bildnisses erteilt hat und nahm dies jedenfalls billigend in Kauf.
Nachdem dem Angeklagten bekannt wurde, dass gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen wegen dieses Posts geführt werden, hat er den Post am 14.10.2021 gelöscht und ein Entschuldigungsschreiben auf seiner Facebookseite veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem: "Das in diesem Beitrag von mir geteilte Bild (aus Unkenntnis der Rechtslage), verstößt gegen den § 86a StGB [...] Bedauerlicherweise wurde es von Facebook gelöscht, daher entferne ich es heute am 14. Oktober 2021 selber". ("Auslassungen" durch den Unterzeichner).
Der Zeuge B. hat in der Hauptverhandlung vom 29.11.2022 einen Adhäsionsantrag gestellt, mit dem er von dem Angeklagten die Zahlung eines Betrages in Höhe von 650,00 EUR fordert. Zinsen macht er nicht (mehr) geltend. Er wurde am 19.11.2020 von einem Kollegen auf die Bildmontage aufmerksam gemacht und hat unter dem 20.11.2020 eine Strafanzeige erstattet. Das Originalfoto des Zeugen B. entstand im Rahmen des G-20 Gipfel im Jahr 2017. Es ist im Internet frei zugänglich. Aufgrund des o.g. Posts wurde der Zeuge B. teilweise in Anwesenheit seiner Familie privat belästigt und hat aufgrund des dadurch bedingten Stresses seine Mitgliedschaft in der Polizeigewerkschaft aufgegeben."
Eine Verurteilung des Angeklagten wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB hat das Landgericht mit der Begründung verneint, die Handlung des Angeklagten laufe ersichtlich nicht dem Schutzzweck dieser Vorschrift zuwider. Eine Strafbarkeit nach § 185 StGB scheide aus, da die Meinungsfreiheit bei der vorzunehmenden Güterabwägung zwischen dem Ehrenschutz einerseits und dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit andererseits überwiege.
Gegen dieses Urteil wendet sich zunächst die Staatsanwaltschaft Paderborn mit ihrer mit Schreiben vom 1. Dezember 2022, bei Gericht eingegangen am selben Tage, eingelegten Revision, die sie mit Schreiben vom 20. Dezember 2022 begründet hat. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Ansicht, das Persönlichkeitsrecht des Adhäsionsklägers überwiege bei der vorzunehmenden Gesamtabwägung die Meinungsfreiheit des Angeklagten, weshalb der Angeklagte auch wegen Beleidigung zu bestrafen sei.
Gegen dieses Urteil wendet sich auch...