Normenkette
SGB VII § 106 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 15 O 425/00) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 14.12.2000 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer des Klägers (zugleich Streitwert der Berufung): 20.000 DM
Schmerzensgeldzahlungsantrag + 3.000 DM Feststellungsantrag = 23.000 DM
Gründe
I. Der Kläger fordert materiellen und immateriellen Schadensersatz aus Anlass eines Vorfalls, zu dem es am 29.9.1999 während des Sportunterrichts für die Stufe 8 der Hauptschule in M. kam. Als Schüler zweier Parallelklassen nahmen die Parteien an dem Sportunterricht teil. Es gab je eine Gruppe für Ringer, Hockeyspieler und Fußballspieler. Durch körperlichen Einsatz des Beklagten erlitt der Kläger eine Luxation des rechten Daumengrundgelenks mit weiteren Folgen, wie u.a. der Notwendigkeit einer stationär durchgeführten operativen Behandlung im November 1999.
Der Kläger, der behauptet hat, er sei schon vor dem 29.9.1999 wiederholt Opfer von Tätlichkeiten des Beklagten gewesen, hat vorgetragen, während er Hockey gespielt habe, habe sich der Beklagte, der zur Gruppe der Ringer gehört habe, auf eine Turnmatte gesetzt und die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Er, der Kläger, habe den Beklagten mit der Vorstellung angesprochen, der Beklagte sei verletzt. Ohne jeglichen Grund habe der Beklagte in diesem Moment seinen, des Klägers, rechten Arm und die Hand ergriffen und diese dabei so nach hinten gebogen, dass der Daumen umgeknickt sei. Diese Position habe der Beklagte einige Sekunden beibehalten, obwohl er, der Kläger, vor Schmerzen aufgeschrien und den Beklagten zum Loslassen aufgefordert habe.
Der Beklagte hat ausgeführt, beide Parteien hätten zur Gruppe der Ringer gehört. Zur Verletzung des Klägers sei es während der Austragung eines Ringkampfes gekommen, als er, der Beklagte, den Kläger an den Händen zu fassen bekommen und versucht habe, dessen Arme auf dem Rücken zu verschränken, um den Kläger zu besiegen. Die Schreie des Klägers habe er zunächst als den Versuch einer Irreführung gewertet, jedoch den Griff sofort gelockert, sobald er gemerkt habe, dass der Kläger tatsächlich Schmerzen gehabt habe.
Das LG hat die Klage abgewiesen, weil der Beklagte dem Kläger nicht zum Schadensersatz verpflichtet sei. Es handele sich um einen Schulunfall. Ersatzansprüche des Klägers würden voraussetzen, dass der Beklagte nicht nur hinsichtlich der Verletzungshandlung, sondern auch in Bezug auf den Verletzungserfolg vorsätzlich gehandelt habe. Dies sei jedoch schon nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht feststellbar.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags. Er hält mit näheren Ausführungen vorsätzliches Verhalten des Beklagten auch hinsichtlich des Verletzungserfolges für gegeben, meint aber, hiervon hänge die Haftung des Beklagten nach der seit dem 1.1.1997 geltenden Rechtslage der §§ 104 ff. SGB VII nicht mehr ab.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat die Parteien zur Sachaufklärung gehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R. und H. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf den Berichterstattervermerk verwiesen.
II. Die Berufung hat keinen Erfolg, weil das LG die Klage zu Recht abgewiesen hat.
Nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien liegen die Voraussetzungen einer Haftung des Beklagten aus §§ 823, 847 BGB wegen der am 29. 09 1999 vom Beklagten verursachten Körperverletzung des Klägers zwar grundsätzlich vor. Im Verhältnis zum Kläger ist der Beklagte aber gem. §§ 106 Abs. 1 Nr. 1, 105 Abs. 1, 2 Abs. 1, Nr. 8b SGB VII von seiner Haftung freigestellt.
1. Bei dem Vorfall vom 29.9.1999 handelte es sich um einen sog. Schulunfall. Beide Parteien nahmen als Schüler der Hauptschule am Unterricht einer Allgemeinbildenden Schule teil (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 SGB VII). Die schädigende Handlung war schulbezogen und erfolgte nicht etwa nur bei Gelegenheit des Schulbesuchs, denn sie geschah innerhalb des organisierten Betriebs der Schule, nämlich während des beaufsichtigen regulären Unterrichts in den Schulräumen. In ihr realisierte sich außerdem eine durch die schultypische Situation geprägte Gefahrenlage, weil im Sportunterricht die körperliche Betätigung im Vordergrund steht, wobei es nicht selten zu unangemessenen und überzogenen Aktivitäten kommt. Bei natürlicher Betrachtung stellt sich daher das Zusammentreffen der Parteien als für den Schulbetrieb typische Gegebenheit dar (vgl. dazu BGH v. 28.4.1992 – VI ZR 284/91, VersR 1992, 854 = NJW 1992, 2032 = MDR 1993, 28; OLG Celle v. 15.9.1999 – 9 U 32/99, VersR 1999, 1550 = OLGReport Celle 200, 51). Dies hat zur Folge, dass der Haftungsausschluss aus §§ 106, 105 SGB VII eingreift.
2. Die Haftungsfreistellung des Beklagten entfällt nicht wegen einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles durch den Beklagten i.S.d. § 105 Abs. 1 SGB VII. Denn hier...