Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage gegen einen Beschluss der Gesellschafterversammlung einer GmbH muss grds. nicht von einem individuellen Rechtsschutzbedürfnis des klagenden Gesellschafters getragen sein. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt jedoch ausnahmsweise, wenn keinerlei objektives Bedürfnis für eine Nichtigerklärung des Beschlusses besteht, etwa weil der Beschlussinhalt gänzlich ins Leere geht oder - zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung - überholt ist.
2. Für die Wahrung der Einberufungsfrist des § 51 Abs. 1 GmbHG kommt es nicht auf den tatsächlichen Zugang des Einladungsschreibens, sondern den Zeitpunkt des regelmäßig zu erwartenden Zugangs an. Das gilt auch für eine in der Satzung anderweitig bemessene Einberufungsfrist.
3. Die innere Willensbildung einer Personengesellschaft ist grds. Sache der Gesellschafter. In der Kommanditgesellschaft ist indes zu berücksichtigen, dass die Kommanditisten gem. § 164 S. 1 HGB von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind und die Entscheidungskompetenz für Maßnahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs bei den Komplementären und nicht den Kommanditisten liegt.
Daraus folgt, dass in der GmbH & Co. KG etwa die Beauftragung eines Steuerberaters mit der Erstellung einer betriebswirtschaftlichen Analyse der KG in den Kompetenzbereich der Komplementär-GmbH fällt. Beschließt deren Gesellschafterversammlung über solche Gegenstände, liegt darin keine Kompetenzüberschreitung.
Normenkette
HGB § 116 Abs. 2, § 164; GmbHG § 51
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 20.02.2015; Aktenzeichen 023 O 76/14) |
Tenor
Auf die Berufungen der Beklagten zu 2) und des Streithelfers der Beklagten wird das am 20.02.2015 verkündete Urteil des LG Münster, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 2) gerichtet ist, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) vom 07.05.2014 zum Tagesordnungspunkt 4, mit dem klargestellt wurde, dass die monatlichen regelmäßigen Entnahmen der Geschäftsführer bei der Beklagten zu 1) eine Tätigkeitsvergütung darstellen, wird für nichtig erklärt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers erster Instanz tragen der Kläger zu 90 %, die Beklagte zu 2) zu 5 % und der Streithelfer der Beklagten zu 5 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt der Kläger. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) tragen der Kläger zu 80 % und die Beklagte zu 2) zu 20 %. Die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Beklagten tragen der Kläger zu 90 % und der Streithelfer der Beklagten zu 10 %.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers der Berufungsinstanz tragen der Kläger zu 80 %, die Beklagte zu 2) zu 10 % und der Streithelfer der Beklagten zu 10 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) tragen der Kläger zu 80 % und die Beklagte zu 2) zu 20 %. Die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Beklagten tragen der Kläger zu 80 % und der Streithelfer der Beklagten zu 20 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger und der Streithelfer der Beklagten sind mit jeweils hälftigem Anteil Kommanditisten der Beklagten zu 1) und geschäftsführende Gesellschafter der Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 2) ist die Komplementärin der Beklagten zu 1).
Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten zu 2) enthält u.a. folgende Regelungen:
§ 8 Gesellschafterversammlung
...
2. Die Versammlung wird durch die Geschäftsführer in vertretungsberechtigter Zahl einberufen. Es genügt Einberufung durch einen Geschäftsführer. Die Ladung erfolgt mittels Einschreibebrief mit einer Frist von mindestens zwei Wochen unter Mitteilung der Tagesordnung, bei der jährlichen Versammlung unter Beifügung des Jahresabschlusses.
Wegen des Inhalts der Gesellschaftsverträge der Beklagten wird im Übrigen auf die zur Akte gereichten Vertragsexemplare Bezug genommen (Bl. 8 ff. d.A.).
Der Streithelfer der Beklagten lud den Kläger mit Schreiben vom 26.03.2014 in seiner Funktion als Geschäftsführer der Beklagten zu 2) zu einer Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) für den 15.04.2014 ein. Der Kläger erschien zu der Versammlung nicht, weshalb Beschlussfassungen unterblieben. Daraufhin lud der Streithelfer der Beklagten den Kläger mit Schreiben vom 17.04.2014, versandt als Einschreibebrief, zu einer weiteren Gesellschafterversammlung der Beklagten zu 2) für den 07.05.2014 ein. Die Ehefrau des Klägers verweigerte am 19.04.2014 die Annahme des Schreibens. Das Schreiben wurde dem Kläger sodann am 05.05. oder 06.05.2014 durch einen Gerichtsvollzieher zugestellt. Der Kläger erschien zu der Versammlung am 07.05.2014 und rügte diverse Mängel, u.a. die fehlerhafte Einberufung zur Versammlung. Anschließend verließ er die Versammlung. Mit den Stimmen des Streithelfers der Beklagten wurden sodann diverse Beschlüsse gefasst, hinsichtlich deren Inhalte auf das Versammlung...