Leitsatz (amtlich)
1. Die unrichtige Angabe des Baujahrs eines verkauften Hauses in einem veröffentlichten Maklerexposé begründet unter dem Gesichtspunkt der Beschaffenheitserwartung gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, S. 3 BGB einen Sachmangel, für den der Verkäufer trotz vereinbarten Gewährleistungsausschlusses wegen Arglist haftet, wenn er dem Makler die Information ohne tatsächliche Grundlage ("ins Blaue hinein") erteilt hatte.
Das Vorhandensein einer tatsächlichen Grundlage als negatives Arglistmerkmal außerhalb der Wahrnehmungssphäre des Käufers muss zunächst der Verkäufer im Sinne der sog. sekundären Darlegungslast konkret behaupten; erst dann muss der für Arglist beweisbelastete Käufer sie widerlegen.
2. Die vom Käufer bereits gezahlte Grunderwerbssteuer stellt trotz des bei Rückabwicklung bestehenden Erstattungsanspruchs gem. § 16 Abs. 2 Nr. 2, 3 Grunderwerbssteuergesetz einen ersatzfähigen Begleitschaden dar. Der Erstattungsanspruch ist lediglich im Wege der Vorteilsausgleichung Zug um Zug an den Verkäufer abzutreten (entgegen BGH [7. ZS] NJW 2002, 2470; Anschluss an BGH [5. ZS] DNotZ 1993, 696; ebenso OLG Hamm [22. ZS], Urt. v. 18.3.2010 - 22 U 120/09).
Normenkette
BGB § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, § 434 S. 3, § 249; GrErwStG § 16 Abs. 2 Nr. 2, § 16 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Detmold (Urteil vom 02.11.2009; Aktenzeichen 9 O 350/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 2.11.2009 verkündete Urteil der Zivilkammer IV des LG Detmold abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger über die erstinstanzliche Verurteilung hinaus weitere 14.248,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 13.350,90 EUR seit dem 16.12.2008 und aus weiteren 898 EUR seit dem 17.2.2010 zu zahlen, davon 5.774 EUR nur Zug um Zug gegen Abtretung des Anspruchs der Kläger gegen das Finanzamt E auf Rückerstattung der Grunderwerbssteuer aus den Bescheiden vom 25.9.2008 (...9 GRST und ...8 GRST).
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Die Kläger kauften von den Beklagten durch Vertrag vom 25.9.2008 unter Gewährleistungsausschluss ein Zweifamilienhausgrundstück in B. Mit der vorliegenden Klage verlangen sie die Rückabwicklung des Vertrages, weil die von den Beklagten veranlasste Angabe des Baujahres "1950" im Maklerexposé falsch gewesen sei. Tatsächlich sei das Haus, wie die Beklagten gewusst hätten, schon ca. 1929 erbaut worden.
Das LG hat der Klage nach Zeugenvernehmung bis auf die zusätzlich geltend gemachten Vertragskosten stattgegeben. Die Klageänderung von der ursprünglichen Vollstreckungsabwehrklage in die jetzige Zahlungsklage sei zulässig, weil ein Fall des § 264 Abs. 3 ZPO und zudem Sachdienlichkeit gegeben sei. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich aus wirksamem Rücktritt gem. § 437 Nr. 2 BGB. Der Kaufvertrag sei nicht deshalb formnichtig, weil das in Bezug genommene Maklerexposé der Urkunde nicht beigefügt worden sei, denn bei der betreffenden Vertragspassage habe es sich nur um eine Wissenserklärung gehandelt. Der Rücktritt sei nicht wegen einer zuvor schon ausgeübten Minderung ausgeschlossen. Das ursprünglich gestellte Minderungsverlangen sei nicht eindeutig gewesen; da eine Minderung nur für den Fall gewollt gewesen sei, dass der Kaufpreis um 35.000 EUR auf noch 130.000 EUR herabgesetzt werde, habe der für eine Gestaltungserklärung erforderliche unbedingte Wille gefehlt. Die Rücktrittserklärung, die in der Klageschrift noch einmal wiederholt worden sei, sei ferner wirksam zugegangen. Sofern die Beklagtenvertreter hierfür keine wirksame Empfangsvollmacht gehabt haben sollten, hätte der Zugang jedenfalls in der Weiterleitung an die Beklagten gelegen. Das Haus weise einen Sachmangel auf, denn aufgrund des Maklerexposés hätten die Kläger von einem Baujahr 1950 ausgehen dürfen. Tatsächlich habe die Beweisaufnahme eine Errichtung ca. 1929/30 ergeben. Die Sanierung des Hauses im Jahre 1975 ändere nichts daran, dass die Abweichung im Baujahr den Wert wesentlich mitbeeinflusse und daher ein Sachmangel sei. Der Gewährleistungsausschluss greife wegen arglistigen Verhaltens nicht ein. Darunter falle auch eine objektiv falsche Erklärung ohne tatsächliche Grundlage ("ins Blaue hinein"). Eine solche liege mindestens vor, weil lt. Kaufvertrag die Angaben in dem Exposé ausdrücklich von den Beklagten gestammt hätten, diese jedoch nicht hätten angeben können, auf welcher Grundlage sie von einem Baujahr 1950 ausgegangen seien. Da das Haus seit 1938 im Familienbesitz gewesen sei, sei das auch schwer vorstellbar. Ansprüche auf Ersatz von Vertragskosten bestünden hingegen nicht. Die Kläger hätten nach Bestreiten nicht bewiesen, die vorgelegten Rechnu...