Verfahrensgang
LG Hagen (Aktenzeichen 10 O 398/18) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.05.2019 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Hagen, 10 O 398/18, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.947,14 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.02.2019 zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges B mit der Fahrgestellnummer ...5.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der im Jahr 1946 geborene Kläger erwarb am 16.11.2016 ein Fahrzeug des Typs B als Gebrauchtwagen für einen Gesamtpreis von 29.950,00 Euro bei einem Autohaus. Der Kilometerstand wies bei Kauf 27.000 km auf.
Das Fahrzeug verfügt über einen Dieselmotor vom Typ EA 189 und war von der Beklagten jedenfalls im Zeitpunkt des Kaufs mit einer Software ausgestattet worden, die erkennt, wann sich das Fahrzeug im Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befindet. In diesem synthetischen Fahrzyklus (NEFZ) werden anders als im realen Fahrbetrieb Prozesse aktiv, die zu einer erhöhten Abgasrückführung und dadurch zu einem verringerten Stickoxidausstoß führen.
Im September 2015 wurde der Einbau dieser Software öffentlich bekannt. Im Oktober 2015 machte das Kraftfahrtbundesamt die für das Fahrzeug zuvor erteilte EG-Typengenehmigung von der Umsetzung eines konkreten Zeit- und Maßnahmeplans abhängig und verpflichtete die Herstellerin, die laut Kraftfahrtbundesamt "unzulässige Abschalteinrichtung" zu entfernen und den Nachweis zu führen, dass nach Entfernen dieser Einrichtung alle Anforderungen der relevanten Einzelrechtsakte der Richtlinie 2007/46/EG erfüllt werden.
Am 27.12.2018 wies der PKW eine Laufleistung von 52.000 km auf, am 27.09.2019 betrug der Kilometerstand des Fahrzeugs 58.000 km.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn vorsätzlich und in sittenwidriger Weise geschädigt. Sein Schaden bestehe darin, dass er ein Geschäft geschlossen habe, das er bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht abgeschlossen hätte. Die Beklagte müsse ihn daher so stellen, wie er stehen würde, wenn er das Fahrzeug nicht erworben hätte, wobei er einen Nutzungsersatz auf Basis einer Laufleistung von 300.000 km anerkennt.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das streitgegenständliche Fahrzeug sei mangelhaft. Es sei auch davon auszugehen, dass der Einbau der Software mit Wissen und Wollen des seinerzeitigen Vorstandes der Beklagten erfolgt sei. Das Verhalten der Beklagten sei sittenwidrig.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 27.207,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Personenkraftwagens B mit der Fahrgestellnummer ...5.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, dass sie den Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe. Weder sei das Fahrzeug mangelhaft, noch sei dem Kläger ein Schaden entstanden. Er habe das Fahrzeug in Kenntnis der Umschaltlogik erworben oder zumindest in grob fahrlässiger Unkenntnis. Der Kaufvertrag sei am 16.11.2016 geschlossen worden, wobei die Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung, in der über die Dieselthematik informiert worden sei, bereits vom 22.09.2015 datiere. Es sei nicht möglich, von der Dieselthematik, über die ausführlich in Presse, Funk und Fernsehen diskutiert worden sei, keine Kenntnis zu nehmen.
Der Kaufvertrag über den Gebrauchtwagen sei nicht mit der Beklagten geschlossen worden. Die B2 AG und nicht die Beklagte sei Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
Die Klage ist der Beklagten am 13.02.2019 zugestellt worden.
Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stünden unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Ansprüche gegen die Beklagte auf Rückabwicklung des Kaufvertrages mit dem Autohaus im Wege des Schadensersatzes zu.
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bestehe nicht, denn insoweit bestünden erhebliche Zweifel, ob der Kläger bei Erwerb des Fahrzeugs einem Irrtum unterlegen sei infolge einer Täuschung der Beklagten. Es erscheine mehr als unwahrscheinlich, dass der Kläger mehr als ein Jahr nach Bekanntwerden der Dieselproblematik von einer derart umfassenden, öffentlichen Berichterstattung gerade in Vorbereitung des Erwerbs des Fahrzeugs keine Kenntnis erlangt haben wolle. Zumindest hätte der Kläger substantiiert vo...