Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarkeit des Entsendungsrechts in den Aufsichtsrat mit der Kapitalverkehrsfreiheit ("ThyssenKrupp")
Normenkette
AktG §§ 53a, 101; GG Art. 14; EG Art. 56
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 29.06.2007; Aktenzeichen 45 O 15/07) |
Tenor
Die Berufungen der Kläger und des Streithelfers zu 2) gegen das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Essen vom 29.6.2007 werden zurückgewiesen.
Die Streithelfer tragen ihre außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens; der Streithelfer zu 2) trägt darüber hinaus die allein durch ihn verursachten Kosten des Rechtsmittels.
Im Übrigen tragen die Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger und der Streithelfer zu 2) können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Die Kläger fechten die Beschlussfassung der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.1.2007 zu TOP 8 an. Mit diesem Beschluss, der mit einer Mehrheit von 78,91 % der in der Hauptversammlung vertretenen Aktionärsstimmen gefasst wurde, wurde § 9 der Satzung um den neuen Abs. 2 ergänzt, wonach der B, die seinerzeit 25,1 % der Aktien der Beklagten hielt, das Recht eingeräumt wurde, bis zu drei der auf die Aktionäre entfallenden Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Dieses Recht sollte bei einer Beteiligung am Grundkapital der Beklagten von mindestens 10 % für ein Mitglied des Aufsichtsrats, bei einer Beteiligung von mindestens 15 % für zwei Mitglieder und bei einer Beteiligung von mindestens 25 % am Grundkapital für drei Mitglieder bestehen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Die Kläger und ihre Streithelfer haben die Auffassung vertreten, der Beschluss der Hauptversammlung sei in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig und deshalb für nichtig zu erklären. Hierzu haben sie im Wesentlichen gerügt, bei der Beschlussfassung sei Verfahrensrecht verletzt worden, insbesondere das Informationsrecht der Aktionäre. Mit dem Entsendungsrecht seien der B (im Folgenden: B) nicht gerechtfertigte Sonderrechte gewährt worden; zudem verstoße die Regelung gegen materielle Regeln des Aktienrechts, gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 56 EG sowie die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen der Kläger sowie des Streithelfers zu 2). Die Kläger und die Streithelfer wiederholen und vertiefen ihre erstinstanzlichen Rechtsauffassungen.
Der Kläger zu 1) beantragt, das Urteil des LG Essen abzuändern und den Beschluss der Beklagten vom 19.1.2007 zu Punkt 8 der Tagesordnung (Beschlussfassung über die Änderung von § 9 der Satzung Zusammensetzung, Wahl, Amtsdauer des Aufsichtsrates) für nichtig zu erklären.
Der Kläger zu 2) beantragt, das Urteil des LG Essen abzuändern und den in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 19.1.2007 gefassten Beschluss zum Tagesordnungspunkt 8 "Beschlussfassung über die Änderung von § 9 der Satzung (Zusammensetzung, Wahl, Amtsdauer des Aufsichtsrats)" für nichtig zu erklären.
Hilfsweise beantragt der Kläger zu 2), festzustellen, dass der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 19.1.2007 gefasste vorstehend genannte Beschluss nichtig ist.
Die Klägerin zu 3) beantragt,
unter Aufhebung des am 29.6.2007 verkündeten Urteils des LG Essen den in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 19.1.2007 gefassten Beschluss, durch welchen die Zustimmung zur Änderung des § 9 der Satzung der Beklagten (Zusammensetzung, Wahl, Amtsdauer des Aufsichtsrates) beschlossen wurde (Tagesordnungspunkt 9) für nichtig zu erklären.
Hilfsweise beantragt die Klägerin zu 3) festzustellen, dass der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 19.1.2007, durch welchen die Zustimmung zur Änderung des § 9 der Satzung der Beklagten (Zusammensetzung, Wahl, Amtsdauer des Aufsichtsrats) beschlossen wurde (Tagesordnungspunkt 9), nichtig ist.
Der Streithelfer zu 2) beantragt, das Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Essen vom 29.6.2007 abzuändern und auf die Klagen der Kläger gegen den Beschluss zu Punkt 8 der Tagesordnung der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.1.2007 und die sie unterstützende Nebenintervention des Streithelfers zu 2) diesen Beschluss insoweit für nichtig zu erklären, als in § 9 (2) der Satzung für die B ein Entsenderecht für zwei oder drei Mitglieder in den Aufsichtsrat eingeräumt ist, hilfsweise den Beschluss zu Punkt 8 der Tagesordnung der vorgenannten Hauptversammlung insgesamt für nichtig zu erklären.
Die Streithelferin zu 4) schließt sich den Anträgen der Kläger an.
Die Beklagte beantragt, die Berufungen zurückzuweisen.
Sie verte...