Normenkette
FamFG § 155 Abs. 1, § 155b Abs. 2 S. 1, § 155c Abs. 3-4
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die bisherige Verfahrensbehandlung nicht ausreichend dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs.1 FamFG entspricht.
2. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind die Eltern der Kinder L. G. (geboren am 10.11.2003) und A. G. (geboren am 12.2.2007). Die Eltern streiten um die Regelung des Umgangs des Antragsgegners mit L. Der Antragsgegner rügt, dass die bisherige Verfahrensdauer des Umgangsverfahrens nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot entspreche.
Das Umgangsverfahren wurde von Amts wegen aufgrund eines Berichtes des zuständigen Jugendamtes vom 13.11.2015 eingeleitet. In der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2015 teilte das Gericht mit, dass zunächst der Verlauf künftiger Umgänge abzuwarten sei. In der mündlichen Verhandlung vom 7.12.2015 wies das Gericht die Beteiligten darauf hin, dass beabsichtigt sei, einen Verfahrensbeistand zur Klärung der Umgangsmodalitäten zu bestellen. Mit Beschluss vom 9.12.2015 wurde sodann für die Kinder ein Verfahrensbeistand bestellt.
In der mündlichen Verhandlung vom 17.3.2016 verständigten sich die Eltern darauf, zunächst telefonische Kontakte zwischen dem Antragsgegner und L. herzustellen.
In der mündlichen Verhandlung vom 23.6.2016 trug der Antragsgegner vor, es sei wichtig, dass nunmehr wieder Umgänge durch das Gericht angeordnet würden. Nur durch Umgänge könne eine Traumatisierung des Kindes durch die vorangegangenen Kontakte vermieden werden. Die Mitarbeiterin des Jugendamtes gab an, es sei zur Wahrung des Kindeswohls wichtig, dass endlich eine Entscheidung getroffen oder über ein Sachverständigengutachten abgeklärt werde, "was dem Kindeswohl tatsächlich dienlich sei". Beide Elternteile erklärten sodann, binnen einer Woche mitzuteilen, ob die "Bereitschaft zu einem Sachverständigengutachten" bestehe. Daraufhin erging am Ende der Sitzung vom 23.6.2016 ein Beschluss, in dem eine Entscheidung von Amts wegen angekündigt wurde.
Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 30.6.2016 lies die Antragstellerin mitteilen, dass sie einer Begutachtung des Kindes nicht zustimme. Darüber hinaus beantragte die Antragstellerin den Umgang des Antragsgegners mit L. auszusetzen. In der Folge sind bis 15.5.2017 keine verfahrensleitenden Verfügungen ergangen.
Mit Schreiben vom 10.5.2017, am 15.5.2017 beim Familiengericht eingegangen, hat der Antragsgegner Beschleunigungsrüge nach § 155b FamFG erhoben, mit der Begründung, dass nach dem 23.6.2016 keine Entscheidung ergangen sei.
Mit Schreiben vom 12.7.2017, am 13.7.2017 beim Oberlandesgericht eingegangen, hat der Antragsgegner Beschleunigungsbeschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, seine Beschleunigungsrüge sei nicht beachtet worden.
II. Die Beschleunigungsbeschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 155c Abs. 4 FamFG zulässig, da das Familiengericht nicht innerhalb der Monatsfrist über die Beschleunigungsrüge entschieden hat. Die Beschleunigungsbeschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt (§ 155c Abs. 4 FamFG).
Die Beschleunigungsbeschwerde ist auch begründet.
Gemäß § 155c Abs. 4 Satz 3, Abs. 3 Satz 3 FamFG hat das Beschwerdegericht auf die Beschleunigungsbeschwerde hin festzustellen, ob die bisherige Dauer des Verfahrens dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG entspricht. Es ist insbesondere zu prüfen, ob das Ausgangsgericht die notwendigen verfahrensfördernden Maßnahmen getroffen hat (BT-Drs. 18/9092, S. 19). Dabei ist nicht von dem Maßstab eines idealen Richters auszugehen, sondern es ist anhand des konkreten Einzelfalles ein objektiver Maßstab anzulegen (BT-Drs. 18/9092, S. 19).
Eine generelle Bestimmung der Dauer, ab wann ein Verfahren nicht beschleunigt durchgeführt wurde, ist nicht möglich (BT-Drs. 18/9092 a.a.O.; vgl. auch Keuter, FamRZ 2016, 1817, 1821). Bei dem anzulegenden Maßstab ist zu berücksichtigen, dass die Beschleunigung des Verfahrens dazu dient, die Entscheidung in der Sache nicht durch bloßen Zeitablauf faktisch zu präjudizieren (BT-Drs. 18/9092, a.a.O.; Keuter, a.a.O.; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 19. Aufl., § 155c Rn. 8). Diese Gefahr besteht in Kindschaftssachen in besonderem Maße, weil sich während des Verfahrens Bindungs- und Beziehungsverhältnisse verfestigen oder verändern können.
Nach diesem Maßstab entspricht die Verfahrensleitung des Familiengerichts nicht dem Beschleunigungsgebot. Nachdem nur die Antragstellerin ihre Zustimmung zur Einholung eines Gutachtens im Juni 2016 verweigert hatte, waren weitere verfahrensleitende Anordnungen zu prüfen. Es war insbesondere zu prüfen, ob die Möglichkeit bestand, die Zustimmung der Antragstellerin gemäß § 1666 BGB zu ersetzen (vgl. BGH FamRZ 2010, 720 Rz. 45). Anderenfalls war umgehend eine Sachentscheidung zu treffen. Erforderlichenf...