Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabe
Verfahrensgang
LG Mannheim (Entscheidung vom 18.12.1996; Aktenzeichen 14 C 10339/96) |
Tenor
Hat der Vermieter von Wohnraum lediglich Bedarf an einem Teil der Räume, so kann das Mietverhältnis nicht wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB gekündigt werden. Beeinträchtigt im Einzelfall die den Belangen des Kündigenden entsprechende Teilkündigung die Interessen des Mieters nicht oder jedenfalls nicht unzumutbar, so ist gemäß § 564 b Abs. 1 BGB eine Teilkündigung des Wohnraummietverhältnisses möglich.
Tatbestand
I.
Die Beklagten schlossen am 17.02.1958 mit dem damaligen Gebäudeeigentümer einen Mietvertrag über Räumlichkeiten im 4. Obergeschoß des Anwesens B. 4 in M.. Ab 16.10.1962 nutzen sie mietweise weitere Räume (ein Zimmer und ein Brausebad im 5. Obergeschoß) sowie einen Kellerraum im selben Anwesen. Das Hausanwesen wurde im Jahre 1984 in Wohnungseigentum aufgeteilt. An den einzelnen Einheiten wurde Sondereigentum begründet. Das Sondereigentum an den Räumlichkeiten im 5. Obergeschoß (1-Zimmer-Wohnung) steht dem Kläger Ziffer 1 zu, das Sondereigentum an den Räumlichkeiten im 4. Obergeschoß (2-Zimmer-Wohnung) dem Kläger Ziffer 2.
Im Jahre 1993 kündigte der Kläger Ziffer 1, der nach seinem Vorbringen über keine eigene Wohnung verfügt, sondern mit seiner Mutter im selben Anwesen in einer 2-Zimmer-Wohnung zusammenlebt, das Mietverhältnis der Räumlichkeiten im 5. Obergeschoß wegen Eigenbedarfs. Die Räumungsklage des Klägers Ziffer 1 wurde abgewiesen, die dagegen gerichtete Berufung blieb ohne Erfolg. Im Berufungsurteil vom 08.02.1995 wird ausgeführt, die Kündigung der Räume im fünften Obergeschoß stelle eine Teilkündigung dar und sei deshalb unwirksam. Hinsichtlich beider Wohneinheiten liege ein einheitliches Mietverhältnis vor, welches nur insgesamt beendet werden könne.
Mit Schreiben vom 24.04.1995 kündigten beide Kläger das Mietverhältnis über alle Räume in beiden Geschossen. Dem widersprachen die Beklagten. Die Räumungsklage beider Kläger wurde vom Amtsgericht abgewiesen.
Das Landgericht will die dagegen gerichtete Berufung der Kläger zurückweisen. Es vertritt die Auffassung, eine Kündigung sei in Fällen dieser Art nur möglich, wenn der Vermieter sämtliche Räume benötige. Bereits aus dem Wortlaut des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB folge, daß die Kündigung wegen eines Teilbedarfs ausgeschlossen sei. Der Kündigungstatbestand setze nämlich voraus, daß der Vermieter „die Räume” benötige. Unter dem Begriff der „Räume”, sei die gesamte Mietsache zu verstehen. Eine Kündigung wegen eines Teilbedarfs sei in § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht vorgesehen. Insoweit unterscheide sich die Vorschrift von der vergleichbaren Regelung in § 4 des früheren Mieterschutzgesetzes. Jene Regelung habe der Gesetzgeber bei der Schaffung des 1. Wohnraumkündigungsschutzgesetzes nicht übernommen. Die in § 564 b Abs. 2 Nr. 4 BGB geregelte Teilkündigung sei auf die dort genannten Fälle beschränkt. Eine entsprechende Anwendung des Abs. 2 Nr. 4 auf Sachverhalte der vorliegenden Art sei wegen der Unterschiedlichkeit der Interessenlage nicht möglich. Da der frühere Hauseigentümer bei einem begrenzten Teilbedarf ebenfalls das gesamte Mietverhältnis nicht habe kündigen können, könnten den Klägern als dessen Teilrechtsnachfolgern keine weitergehenden Rechte erwachsen sein.
Da die angesprochene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sei und weil insoweit zur Lösung des Problems in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedliche Ansichten vertreten würden, sei ein Rechtsentscheid einzuholen. Werde die Rechtsfrage im Sinne der Ansicht der Kammer beantwortet, so sei die Klage entscheidungsreif. Im anderen Fall müsse die Kammer über die tatsächlichen Voraussetzungen des Kündigungswiderspruches (§ 556 a BGB) Beweis erheben. Die vom Landgericht vorgelegte Rechtsfrage lautet:
Kann ein Mietverhältnis über eine Wohnung nach § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB gekündigt werden, obwohl der Vermieter lediglich Eigenbedarf an einem Teil der Räume hat?
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage an den Senat ist gemäß § 541 Abs. 1 Satz 1 ZPO zulässig, da es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, welche noch nicht durch Rechtsentscheid entschieden ist.
In der gewählten Formulierung erschöpft die Vorlagefrage jedoch nicht die vom Landgericht aufgezeigte Problemstellung. Gemäß § 564 b Abs. 1 BGB kann ein Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. In Abs. 2 benennt die Vorschrift Regelfälle, in denen ein berechtigtes Interesse des Vermieters anzunehmen ist. Ein solcher Sachverhalt ist gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 2 gegeben, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen benötigt. Die enge Formulierung der Vorlage beschränkt sich auf die Frage der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB. Tatsächlich angesprochen ist...