Tenor
Oberlandesgericht Karlsruhe
11. Zivilsenat
Beschluss
In dem Verfahren
über die Bestimmung gerichtlicher Zuständigkeiten für Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 und 4 PolG im zeitlichen Zusammenhang mit dem NATO-Gipfeltreffen am 3./4. April 2009
Beteiligte:
1. Amtsgericht Baden-Baden
2. Amtsgericht Kehl
3. Amtsgericht Karlsruhe
Als örtlich zuständig für Entscheidungen über die Fortdauer von Freiheitsentziehungen gemäß § 28 Absatz 3 und 4 Polizeigesetz Baden-Württemberg im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfeltreffen am 3. und 4. April 2009 werden diejenigen Gerichte bestimmt, in deren Bezirk die Betroffenen bei Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung festgehalten werden.
Gründe
I. Am 3. und 4. April 2009 findet in Baden-Baden und Straßburg das Gipfeltreffen der NATO statt, an dem bis zu 60 Delegationen mit etwa 6.000 Mitgliedern teilnehmen werden.
Es wird damit gerechnet, dass es im Zusammenhang mit Protestaktionen gegen das Gipfeltreffen zu einer größeren Anzahl von Ingewahrsamnahmen nach dem Polizeigesetz Baden-Württemberg kommen wird. Die Polizeibehörde plant, die festgenommenen Personen zunächst in mehrere in den Bezirken der beteiligten Amtsgerichte eingerichtete Gefangenensammelstellen zu verbringen, von denen aus sie den zuständigen Richtern zur Herbeiführung einer Entscheidung über die Fortdauer der Freiheitsentziehung vorgeführt werden sollen.
Dem Senat ist durch Hinweise der Präsidenten der Landgerichte Baden-Baden und Offenburg bekannt geworden, dass bei den beteiligten Gerichten Unsicherheit darüber besteht, welche Gerichte für Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 und 4 PolG zuständig wären, ob nämlich die Gerichte am Ort der Ergreifung oder diejenigen Gerichte zur Entscheidung berufen sind, in deren Bezirk sich die geplanten Gefangenensammelstellen befinden.
Der Senat hat den nach den bisherigen Erkenntnissen als zuständig in Betracht kommenden Amtsgerichten Baden-Baden, Karlsruhe und Kehl sowie der Polizeibehörde als möglicher Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme zur Frage der Zuständigkeit gegeben.
Die angehörten Richter des Amtsgerichts Karlsruhe haben die Auffassung vertreten, dass allein das Gericht des Ergreifungsortes zuständig sei. Dafür spreche - neben dem Gebot der unverzüglichen Vorführung - zusätzlich, dass die Polizei andernfalls den Gerichtsstand völlig frei und willkürlich bestimmen könne, indem sie den Betroffenen an einen anderen Ort verbringe. Bei den Richtern des Amtsgerichts Baden-Baden wurden unterschiedliche Auffassungen vertreten; während mehrheitlich die vom Amtsgericht Karlsruhe vertretene Auffassung geteilt wurde, hat eine Minderheit die Meinung vertreten, aus dem Wortlaut des § 28 Absatz 4 Satz 1, 2. Halbsatz PolG folge, dass nicht an den Ort der Ergreifung anzuknüpfen sei, sondern daran, wo sich der Betroffene in Gewahrsam befinde. Auch unter den Richtern des Amtsgerichts Kehl wurden unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Die Polizeibehörde hat keine Stellungnahme abgegeben.
II. Eine Zuständigkeitsregelung ist nach § 5 Absatz 1 Satz 1 FGG geboten; sie führt zu einer Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit bei denjenigen Gerichten, in deren Bezirk die Betroffenen zum Zeitpunkt der Vorführung zur Entscheidung festgehalten werden.
1. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist gemäß § 5 Absatz 1 Satz 1 FGG als gemeinschaftliches oberes Gericht der beteiligten Amtsgerichte zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts berufen. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung liegen vor:
a) Der Senat konnte, nachdem er durch die Hinweise der Präsidenten der Landgerichte Baden-Baden und Offenburg von der Ungewissheit der Beurteilung der Zuständigkeitsfrage Kenntnis erlangt hat, auch ohne Vorlage durch eines der beteiligten Amtsgerichte das Bestimmungsverfahren von Amts wegen einleiten (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 9. Mai 2006 - 15 Sbd 5/06, NJW 2006, 2707; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 2. Juni 2006 - 20 W 224/06, NJW 2006, 3443; Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 5, Rn. 46). Die Ungewissheit über die Zuständigkeit ergibt sich aus den im Rahmen der Anhörung der beteiligten Amtsgerichte zutage getretenen verschiedenen Auffassungen.
b) Eine Zuständigkeitsbestimmung durch das gemeinsame obere Gericht ist in der Regel nur möglich, wenn die Gerichte, deren örtliche Zuständigkeit zweifelhaft ist, bereits mit einer konkreten Angelegenheit befasst sind. Angesichts der hier mitgeteilten unterschiedlichen Auffassungen müsste jedoch damit gerechnet werden, dass zumindest einzelne mit Anträgen nach § 28 PolG befasste Richter - je nach der von ihnen vertretenen Auffassung - ihre Zuständigkeit verneinen würden. Da im Rahmen der Großveranstaltung regelmäßig nur kurzfristige und bei Ende der Veranstaltung aufzuhebende Freiheitsentziehungen in Betracht kommen werden, könnte eine Zuständigkeitsbestimmung durch das Oberlandesgericht in den konkreten Verfahren nicht vor Beendigung der Maßnahme ergehen. Die Unsicherheit über die örtliche Zuständigkeit könnte daher im Ergebnis dazu führen, dass de...