Leitsatz (amtlich)
1. Ein Grundstück, das angesichts seiner konkreten Lage keine (Teil-)Überschneidung mit einem hinsichtlich einer Grunddienstbarkeit ursprünglich herrschenden Grundstück aufweist, kann nicht infolge von Grundstücksveränderungen zum herrschenden Grundstück werden.
2. Ein "Wandern" des Ausübungsbereiches einer Grunddienstbarkeit auf Flächen, für die die Grunddienstbarkeit bei ihrer Bestellung nicht als Vorteil gedacht war, ist aus materiell-rechtlichen Gründen ausgeschlossen.
Normenkette
BGB §§ 890, 1025-1026
Verfahrensgang
AG Emmendingen (Aktenzeichen EMM 055 GRG 348/2023) |
Tenor
1. Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Emmendingen vom 20.07.2023, Az. EMM 055 GRG 348/2023, aufgehoben.
2. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag auf Löschung der im Grundbuch von ... zu Gunsten der laut Eintrag im Grundbuch Band ... vom 30.09.1901 früheren Grundstücke FIst. Nr. A, B/1 und B/2 eingetragenen Grunddienstbarkeit (Duldung eines Ein- und Ausfahrtsrechts sowie Anschluss an die bestehende Kanalisation und Wasserleitung) nicht aus den in der Zwischenverfügung vom 20.07.2023 genannten Gründen zurückzuweisen.
3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten der Beteiligten nicht erstattet.
Gründe
I. Der beurkundende Notar hat mit Antrag vom 21.03.2022 (Öffentliche Urkunde des Notars Dr. ..., UVZ ..., Grundakte AS 158 ff., 167) unter Bezugnahme der Öffentlichen Urkunde des Notars Dr. ... vom 09.09.2021 (UR ...) unter anderem die Löschung der im Grundbuch von F. in BI. ... Flurstück B zu Gunsten der laut Eintrag im Grundbuch Band ... vom 30.09.1901 früheren Grundstücke FIst. Nr. A, B/1 und B/2 eingetragenen Grunddienstbarkeit (Duldung eines Ein- und Ausfahrtsrechts sowie Anschluss an die bestehende Kanalisation und Wasserleitung) beantragt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Öffentlichen Urkunden vom 09.09.2021 und 21.03.2022 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 27.02.2022 hat das Grundbuchamt erstmals unter anderem darauf hingewiesen, dass bei allen Belastungen in Abteilung II an den jeweiligen Vertragsobjekten noch Bewilligungen zur Löschung vorzulegen seien, soweit diese nicht nach Maßgabe der Anlage 11 des Kaufvertrages vom 09.09.2021 bei Eigentumswechsel mitübernommen werden, was bei dem verfahrensgegenständlichen Grundstück Flurstück B ausweislich Anlage 11 (Grundakte AS 81) nicht der Fall ist. Mit Schreiben vom 28.10.2022 hat das Grundbuchamt unter Hinweis und Übermittlung von Rechercheergebnissen u. a. zu dem ursprünglich herrschenden, früheren Grundstück Flurstück A, das seit Eintragung der Grunddienstbarkeit im Jahr 1901 Gegenstand einer Vielzahl von Teilungen, Bestandteilszuschreibungen und Vereinigungen mit anderen Grundstücken war, den Hinweis erneuert und formgemäße Löschungsbewilligungen im Einzelnen aufgelisteter natürlicher Personen und juristischer Personen (teilweise des öffentlichen Rechts) verlangt, die (Wohnungs-)Eigentümer von Grundstücken sind, die im Zuge der vielfältigen Veränderungen des ursprünglich herrschenden Grundstücks A nunmehr herrschende Grundstücke seien; wegen der Einzelheiten wird auf die umfangreichen Rechercheergebnisse verwiesen (s. Grundakte AS 224 ff.).
Wegen der örtlichen Lage des ursprünglich herrschenden Grundstücks A sowie der nach Auffassung des Grundbuchamts nunmehr herrschenden Grundstücke wird auf die Flurkarte (s. Grundakte, AS 372) verwiesen; keines der nach Auffassung des Grundbuchamts nunmehr herrschenden Grundstücke weist hinsichtlich der jeweiligen örtlichen Lage eine (Teil-)Überschneidung mit dem ursprünglich herrschenden Grundstück A auf. Die Grundbuchblätter der seitens des Grundbuchamts als heute herrschende Grundstücke bezeichneten Grundstücke, hinsichtlich derer es Löschungsbewilligungen Dritter oder eines Unrichtigkeitsnachweises nach § 22 GBO bedarf, enthalten jeweils keine Herrschvermerke gemäß §§ 9, 21 GBO.
Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 15.06.2023 hat die Beteiligte Ziffer 2 den grundbuchrechtlichen Vollzug der Löschung der Grunddienstbarkeit zulasten von FISt. Nr. B in Blatt ... angemahnt. Zur Löschung der Grunddienstbarkeit bedürfe es nicht der Löschungsbewilligungen Dritter; zur Begründung wurde auf zwei Rechtsgutachten des Deutschen Notarinstituts Bezug genommen, die der beurkundende Notar Dr. ... vorgelegt hat. Die fragliche Grunddienstbarkeit sei zudem schon nach § 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 b GBO als gegenstandslos löschungsfähig. Der Inhalt der fraglichen Grunddienstbarkeit bestehe (in einem Teil) ausdrücklich in dem "(...) Anschluss an die bestehende Kanalisation und Wasserleitung (...)". Weil die im Jahr 1901 bestehende Kanalisation und Wasserleitung heute nicht mehr existiere, könne an diese nicht mehr angeschlossen werden. Da die Ausübung dieses Rechts somit unmöglich sei, sei das Recht gegenstandslos im Sinne dieser Norm. Dasselbe gelte für das Recht auf Ein- und Ausfahrt. Die Art der Dienstbarkeit und die Art der Ben...