Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung. Sorgerecht. Richterablehnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ablehnung eines Richters in einem früheren Verfahren rechtfertigt nicht ohne weiteres die Ablehnung desselben Richters in einem späteren Verfahren zwischen denselben Parteien. Ob und inwieweit sich ein in einem Verfahren gegebener Ablehnungsgrund auch auf die anderen auswirkt (sog. übergreifender Ablehnungsgrund), ist Frage des Einzelfalls und hängt vom konkreten Ablehnungsgrund ab.

 

Normenkette

ZPO §§ 42-43

 

Tenor

Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen Richter am Amtsgericht Amtsgericht Karlsruhe, wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller begehrt in Abänderung der Entscheidung des Verbundurteils des Amtsgerichts Karlsruhe vom 19.09.1995 (2 F 302/92) die Übertragung der elterlichen Sorge für die beiden ehegemeinsamen Töchter … geboren am … und … geboren am …, auf sich selbst. In jenem Verfahren wurde mit Beschluß des Senats vom 01.06.1995 (2 WF 77/95) das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen den auch im vorliegenden Verfahren zuständigen Richter für begründet erklärt. In einem weiteren zwischen dem Antragsteller und einer seiner Töchter anhängigen Unterhaltsabänderungsverfahren 2 F 213/94 war das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen den selben Richter als unbegründet zurückgewiesen worden (Senatsbeschluß vom 09.03.1995, 2 WF 31/95).

Im vorliegenden Verfahren lehnt der Antragsteller den Richter unter Hinweis auf seine erfolgreiche Ablehnung im Scheidungsverfahren ab. Es sei „davon auszugehen, daß er aufgrund dieser Umstände vorbelastet ist”.

Der Richter hat am 01.10.1997 eine dienstliche Äußerung des Inhalts abgegeben, er halte sich nicht für befangen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Ablehnungsgesuch ist gem. §§ 621 a Abs. 1 Satz 1, 2 ZPO, § 6 FGG i.V.m. 42, 43 ZPO zulässig, in der Sache jedoch nicht gerechtfertigt.

Eine Besorgnis der Befangenheit nach § 42 Abs. 2 ZPO liegt nur dann vor, wenn objektive Gründe gegeben sind, die vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters rechtfertigen können (vgl. statt vieler Zöller/Vollkommer, ZPO, 20. Aufl., § 42 Rn. 9). Das Institut der Ablehnung dient nicht dazu, einen unliebsamen Richter aus dem Verfahren (oder aus allen künftigen Verfahren) zu entfernen, sondern bezweckt nur die Ausschließung nach obigen Kriterien vermeintlich oder tatsächlich parteiischer, voreingenommener Richter. Entsprechende, die Annahme der Parteilichkeit rechtfertigende Tatsachen sind vorliegend nicht gegeben. Freilich kann ein Ablehnungsgrund, der auf Seiten einer Partei gegeben ist, die Ablehnung in mehreren gleichzeitig oder nacheinander anhängig werdenden Sachen rechtfertigen (sogenannter übergreifender Ablehnungsgrund, vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rn. 19; Baumbach/Hartmann, ZPO, 55. Aufl., Rn. 23, Stichwort „frühere Ablehnung”; MünchKomm-Feiber, ZPO, Rn. 3, jeweils zu § 42). Dies ist jedoch Frage des Einzelfalls und hängt vom konkreten Ablehnungsgrund ab (Zöller/Vollkommer, a.a.O.; Senatsbeschluß vom 14.03.1994, 2 WF 62/94). Zwar wurde im Scheidungsverfahren das auf ein Versehen desselben Richters bei der Protokollierung gestützte Ablehnungsgesuch des Antragstellers für begründet erklärt. Der Richter hatte im Protokoll irrtümlich festgestellt, der Antragsteller beantrage die Fortgeltung eines gemeinsamen Sorgerechts; tatsächlich hat er aber das alleinige Sorgerecht geltend gemacht. Nach den dort gegebenen Umständen hat der Senat die vom Antragsteller geäußerte Besorgnis, der abgelehnte Richter werde in diesem Verfahren nicht mehr offen und unbefangen entscheiden, als nachvollziehbar gewertet. Der Antragsteller meint, ohne dies näher zu begründen, sein früheres Ablehnungsgesuch schlage auch auf das vorliegende Verfahren durch. Es sind aber keine Tatsachen festzustellen, die eine solche Schlußfolgerung rechtfertigen könnten. Wenn der Streitstoff des vorliegenden Verfahrens auch mit dem früheren Verfahren teilweise identisch ist (wobei es nach der Volljährigkeit der Tochter … jetzt nur noch um die elterliche Sorge für die Tochter …, geboren am … geht), so sieht der Senat doch keinen vernünftigen Anlaß zu der Annahme, daß der zuständige Richter in diesem neuen Verfahren seine richterliche Objektivität nicht wahren würde. Hierbei kann nicht außer Acht gelassen werden, daß die erfolgreiche Ablehnung in dem früheren Verfahren auf ein gerade in diesem vom Antragsteller dem Richter vorgeworfenes Fehlverhalten gestützt war.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.

 

Unterschriften

Dr. Thalmann Vors. Richter am Oberlandesgericht, Meister Richterin am Oberlandesgericht, May Richter am Oberlandesgericht

 

Fundstellen

Haufe-Index 1343699

JurBüro 1998, 612

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