Leitsatz (amtlich)
Zur Einholung eines Sachverständigengutachtens und zur eigenen Sachkunde des Gerichts in der Frage, ob die Teilnahme des Angeklagten an einem Nachschulungskurs oder an einer psychotherapeutischen Behandlung erfolgreich war und den gesetzlich vermuteten Eignungsmangel (§ 69 Abs. 2 StGB hat ausräumen können.
Verfahrensgang
LG Konstanz (Entscheidung vom 10.06.2016) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts - 6. Kleine Strafkammer - Konstanz vom 10. Juni 2016 im Maßregelausspruch mit den dazu gehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Konstanz zurückverwiesen.
- Im Übrigen wird die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts - 6. Kleine Strafkammer - Konstanz - einstimmig als unbegründet verworfen.
Gründe
Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 28.6.2015 (9 Cs 56 Js 8558/15) wurde gegen den Angeklagten, dessen Führerschein sich seit 17. 4.2015 in amtlicher Verwahrung befunden hatte, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 € festgesetzt und zugleich die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von noch 8 Monaten angeordnet. Auf seinen auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Einspruch vom 8.7.2016 wurde der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 13.1.2016 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt. Zugleich wurde ein dreimonatiges Fahrverbot festgesetzt, das durch die Dauer der Sicherstellung der Fahrerlaubnis abgegolten war. Der Führerschein wurde dem Angeklagten ausweislich des Rückscheins am 23.1.2016 wieder ausgehändigt.
Gegen dieses Urteil legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Konstanz form- und fristgemäß Berufung ein. Während der Angeklagte seine Berufung am 1.4.2016 wieder zurücknahm, wurde er aufgrund der Berufung der Staatsanwaltschaft durch Urteil des Landgerichts Konstanz vom 10.6.2016 (6 Ns 56 Js 8558/15) erneut zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 € verurteilt. Außerdem wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen, sein Führerschein eingezogen und ihm eine Sperrfrist von 3 Monaten erteilt. Letztlich wurde die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 111 a StPO angeordnet.
Mit Telefax vom 10.6.2016 legte der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers Revision gegen das Urteil ein, begründete diese nach am 19.7.2016 erfolgter Urteilszustellung form- und fristgemäß mit Schriftsatz vom 20.7.2016 und erhob die die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Auf die zugleich erhobene Beschwerde gegen die durch Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 10. 6.2016 erfolgte vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis wurde dieser Beschluss durch Beschluss des Senats vom 19.8.2016 (3 Ws 591/16) aufgehoben.
Die Generalstaatsanwaltschaft trägt mit Schrift vom 23.8.2016 auf Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Konstanz an.
Die Revision hat mit der Verfahrensrüge - jedenfalls vorläufig - Erfolg.
1. Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Konstanz am 10.6.2016 für den Fall, dass die Berufung der Staatsanwaltschaft nicht verworfen werde, hilfsweise die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zum Beweis der Tatsache, dass der Angeklagte wieder zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei, beantragt. Dieser Antrag wurde seitens der Strafkammer im Urteil abgelehnt, da aufgrund der langjährigen Befassung der Kammer mit Verkehrsstraftaten eigene Sachkunde bestehe.
2. Diese Begründung hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Gem. § 69 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen hat, verurteilt wird und sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, wovon in der Regel auszugehen ist, wenn die rechtswidrige Tat (wie vorliegend) ein Vergehen gem. § 316 StGB ist. Die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB führt dazu, dass eine die - noch zum Zeitpunkt des Urteils vorliegende - Ungeeignetheit positiv begründende Gesamtwürdigung nur dann erforderlich ist, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich ein Ausnahmefall ergeben könnte (Fischer, StGB, 63. Aufl., Rdn. 22 zu § 69). Gründe, die die Indizwirkung des Regelbeispiels widerlegen und im Rahmen einer Gesamtwürdigung Anlass zum Absehen der Maßregelanordnung geben können, können u. a. im Zeitraum zwischen Tatbegehung und Entscheidung entstehen (Fischer, a.a.O., Rdn. 33 zu § 69). Umstritten ist die Bedeutung der Teilnahme an einem Nachschulungskurs oder an einer psychotherapeutischen Behandlung, die zwar...