Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulässigkeit der Erweiterung des Beschwerdegegenstandes "Umgangsregelung" auf den Gegenstand "elterliche Sorge"; Zur Zuständigkeit von FamG einerseits und Vormundschaftsgericht andererseits für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft sowie für Auswahl, Bestellung und Überwachung des Ergänzungspflegers
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit die Regelung der elterlichen Sorge (hier bzgl. des Teilbereichs "Umgang") dienende Funktion für eine Regelung des Umgangs hat, kann im Rahmen eines Verfahrens über die Beschwerde gegen eine Umgangsregelung auch über die elterliche Sorge (hier: über den Entzug der elterlichen Sorge gem. § 1666 BGB für den Teilbereich "Umgang") entschieden werden.
2. Wenn das FamG gem. § 1666 BGB dem Sorgeberechtigten das Sorgerecht entzieht, ist es auch für die Anordnung der Ergänzungspflegschaft und die Auswahl des Pflegers zuständig. Für die Bestellung und Überwachung des Pflegers sowie für die (im Rahmen der Bestellung erfolgende) Feststellung der berufsmäßigen Führung der Pflegschaft ist dagegen (ausschließlich) das Vormundschaftsgericht zuständig.
Normenkette
ZPO § 621e; BGB §§ 1693, 1697, 1836 Abs. 1 S. 2, § 1909
Verfahrensgang
AG Sinsheim (Aktenzeichen 20 F 418/04) |
Tenor
A. Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziff. 1 (Vater) wird das Recht zur Regelung und Durchführung des Umgangs für das Kind M. H., geboren am ... 2000, mit dem Beteiligten Ziff. 1 (Vater) der Beteiligten Ziff. 2 (Mutter) entzogen. Für diesen Bereich der elterlichen Sorge wird Pflegschaft angeordnet und Frau W. als Pflegerin ausgewählt.
B. Im Übrigen wird die Beschwerde des Beteiligten Ziff. 1 (Vater) zurückgewiesen.
C. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
D. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. M. ist das am ... 2000 geborene Kind aus der am ... 1996 geschlossenen Ehe der Parteien. Die Eltern haben bis November 1999 jedenfalls räumlich zusammen gelebt.
Im November 1999 hat die Mutter Strafanzeige gegen den Vater wegen Vergewaltigung erhoben. Mit Beschluss vom 22.1.2001 hat das AG S. die Eröffnung des Hauptsacheverfahrens abgelehnt, da sich der Tatverdacht angesichts der ungenauen Angaben der Mutter zum Tathergang nicht nachweisen lassen werde.
Die Ehe der Parteien ist am 30.1.2001 geschieden und die elterliche Sorge auf die Mutter übertragen worden. Die Mutter lebt inzwischen in einer verfestigten Partnerschaft mit Herrn G., zusammen mit M., ihrem aus erster Ehe stammenden Sohn D., geb. am ... 1985, und den aus ihrer derzeitigen Partnerschaft hervorgegangenen Töchtern J., geb. am ... 2001, und A., geb. am ... 2003. Der erwachsene Sohn B. aus erster Ehe der Mutter besucht die Familie immer wieder. M. hält den jetzigen Lebenspartner der Mutter für seinen Vater.
Der Vater ist inzwischen mit der aus dem Kosovo stammenden H. verheiratet. Aus der Ehe ist die am ... 2005 geborene Tochter A. hervorgegangen.
Der Vater hat sich im Juli 2000 erstmals wegen eines Umgangs mit M. an das Jugendamt gewandt. Im Januar 2001 und April 2001 hat er sich erneut um eine Kontaktanbahnung bemüht, die von der Mutter nachhaltig verweigert worden ist (so Bericht des Jugendamtes vom 9.1.2006). Im Mai 2001 hat er einen Antrag auf Umgangsregelung beim AG gestellt, diesen jedoch später in einer mündlichen Verhandlung auf Anraten seines Prozessbevollmächtigten wieder zurückgenommen. Im Dezember 2004 hat er dann im vorliegenden Verfahren erneut einen Antrag, abhängig von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, gestellt. Erst durch Beschluss des OLG Karlruhe vom 11.8.2005 ist ihm Prozesskostenhilfe bewilligt worden.
M. ist ein sog. "Schreikind" gewesen, das mit 1 ½ Jahren unbegründete Schrei- und Wutanfälle bekommen hat. Bereits sehr früh hat er mit einer Spieltherapie bei Frau Dr. Sch. begonnen. Er hat sich in Ergotherapie und einer logopädischen Therapie befunden. Jetzt macht er Krankengymnastik, bis die Krankenkasse die Physiotherapie wieder bezahlt. Er leidet unter ADS und befindet sich weiter in psychologischer Behandlung bei Frau Dr. Sch. Aus dem Bericht der Universität H. vom 14.9.2006 ergibt sich, dass bei M. Hinweise auf eine auditive Wahrnehmungs- und Verarbeitungsstörung vorliegen und Beeinträchtigungen durch eine eingeschränkte Aufmerksamkeit und Selbstsicherheit des Kindes nicht auszuschließen sind.
Der Vater hat seinen Sohn insgesamt zweimal anlässlich der mündlichen Verhandlungen vom 23.11.2001 und 21.4.2006 gesehen. Es besteht keine Beziehung zwischen Vater und Sohn.
Der Vater möchte seinen Sohn sehen. Er ist mit begleitetem Umgang einverstanden.
Die Mutter hat jeglichen Umgang abgelehnt. Ihr sei ein Zusammentreffen mit dem Antragsteller nicht zumutbar. Dieser habe sie vergewaltigt, hieraus sei das Kind entstanden. Bei einem Zusammentreffen mit dem Antragsteller bestehe für sie die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung. Wegen der Vergewaltigung leide sie auch jetzt noch an Angstzuständen und unter chronischem Bluthochdruck. Eine psychologische Aufarbeitung dieses Geschehe...