Leitsatz (amtlich)
1. Bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 23 Nr. 1 AGBGB BW folgt, dass sich die Einstufung, ob eine Geringfügigkeit in dem vorbezeichneten Sinne angenommen werden kann, allein anhand eines anzustellenden Vergleichs zwischen dem bzw. den Trennstück(en) und der verbleibenden Grundstücksfläche bemisst, wobei sowohl auf die jeweiligen Wertverhältnisse als auch den jeweiligen Umfang dieser Flächen Bedacht zu nehmen ist. Der vom Gesetz zugrunde gelegte Grundstücksbegriff ist dabei nicht im grundbuchrechtlichen Sinne, sondern wirtschaftlich zu verstehen und umfasst daher die Gesamtfläche aller für eine einheitliche Belastung haftenden Vermögensgegenstände (vgl. BGH, Beschluss vom 18.10.1955 - V ZB 9/53, NJW 1955, 1878).
2. Zwar sieht § 27 Abs. 1 Hs. 2 AGBGB BW vor, dass die Berechtigten vor der Erteilung des Unschädlichkeitszeugnisses anzuhören sind, soweit dies ohne erhebliche Verzögerungen und unverhältnismäßige Kosten möglich ist. Schon dem Wortlaut dieser Bestimmung kann allerdings entnommen werden, dass das Anhörungserfordernis nicht ausnahmslos gilt. Unabhängig von den im Gesetz aufgeführten Durchbrechungen dieses Grundsatzes kann nach dem Sinn und Zweck dieser Verfahrensvorschrift auf eine Anhörung des Betroffenen auch dann verzichtet werden, wenn dessen schutzwürdige Belange nicht berührt werden.
Normenkette
BGB §§ 875, 1175 Abs. 1 S. 2; BGBAG BW § 22 Abs. 1, § 24 Abs. 2, § 26 Abs. 2 S. 2, § 27 Abs. 1, 3; EGBGB Art. 120; FamFG § 18 Abs. 3 S. 3, § 39; GBO § 41
Verfahrensgang
AG Achern (Beschluss vom 15.11.2022; Aktenzeichen ACH010 GRG 837/2022) |
Tenor
1. Den Beteiligten zu 1) und zu 2) wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gewährt.
2. Auf die Beschwerde der beiden vorbezeichneten Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Achern vom 15.11.2022, ACH010 GRG 837/2022, wie folgt abgeändert:
Gemäß dem Antrag der Beteiligten zu 1) und zu 2) wird bezüglich der im Grundbuch des Amtsgerichts Achern für B., Gemeinde O., Blatt (...), in Abteilung III nachfolgend aufgeführten Grundpfandrechte der Sparkasse O2, und zwar
der unter lfd. Nr. 1 eingetragenen Grundschuld in Höhe von 6.000,00 DM,
der unter lfd. Nr. 2 eingetragenen Grundschuld in Höhe von 15.000,00 DM,
der unter lfd. Nr. 3 eingetragenen Grundschuld in Höhe von 30.000,00 DM,
der unter lfd. Nr. 6 eingetragenen Grundschuld in Höhe von 40.000,00 DM und
der unter lfd. Nr. 7 eingetragenen Grundschuld in Höhe von 100.000,00 DM
ein Unschädlichkeitszeugnis hinsichtlich der pfandfreien, entschädigungslosen Abschreibung bezüglich folgender Teilflächen erteilt:
Flst. Nr. 16/103 (152 qm),
Flst. Nr. 23/1 (148 qm) und
Flst. Nr. 23/2 (365 qm).
Gründe
I. Mit ihrer Beschwerde wenden sich die beiden durch den beurkundenden Notar vertretenen Beteiligten gegen die Zurückweisung ihres Antrages auf Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses durch das Grundbuchamt Achern.
Der Beteiligte zu 1) ist der Eigentümer des im Grundbuch des Amtsgericht Achern für B., Gemeinde O. auf Blatt (...) eingetragenen Grundstücks. Das Grundstück, das er im Jahre 2017 durch Zuschlag im Rahmen der Zwangsversteigerung erworben hatte, weist eine Gesamtfläche von 10 ha 48a 60 qm auf. Es setzt sich aus den - nachfolgend näher zu behandelnden - katasterrechtlichen Flurstücken Nrn. Nrn. 16, ..., 23, ... und ... sowie aus weiteren Flurstücken zusammen. In Abteilung II des Grundbuchs ist an erster Rangstelle ein Hofgutvermerk eingetragen.
Mit ihren Erklärungen in der notariellen Urkunde vom 05.07.2022 (...) begehrten die Beschwerdeführer, die Flurstücke Nr. 16 und Nr. 23 zu teilen und das Eigentum an den neu gebildeten Flurstücken Nrn. 16/103, 23/1 und 23/2 nach Lastenfreistellung an die Beteiligte zu 2) zu übertragen. Die Fläche der zu veräußernden Teilstücke beträgt insgesamt 665 qm (Flst. Nr. 16/103 mit 152 qm, Flst. Nr. 23/1 mit 148 qm sowie Flst. Nr. 23/2 mit 365 qm). Es handelt sich hierbei um schmale Streifen parallel zur Kreisstraße K 5369 in Gestalt von Radwegflächen (Flst. Nrn. 16/103 und 23/1) bzw. um Grünland und eine Wasserfläche (Flst. Nr. 23/2).
Vertreten durch den Urkundsnotar hatten die Rechtsmittelführer - soweit für das vorliegende Verfahren von Belang - am 29.07.2022 für die zu veräußernden Flurstücke die Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses hinsichtlich der - jeweils zugunsten der Sparkasse O2 eingetragenen - Grundschulden in Abteilung III Nr. 1-3, 6, 7 und 17 beim Amtsgericht Achern - Grundbuchamt - beantragt. Bei der in Abteilung III Nr. 17 eingetragenen Belastung handelt es sich um eine Buchgrundschuld, für welche die erwähnte Grundpfandgläubigerin ausweislich des vorgelegten Schreibens vom 15.07.2022 eine Freigabeerklärung erteilt hatte. Am 03.08.2022 wurde von den beiden Beteiligten insoweit der Antrag auf Erteilung eines Unschädlichkeitszeugnisses zurückgenommen. Bei den im Beschlusstenor näher bezeichneten Belastungen in Abteilung III Nr. 1-3, und 7 handelt es sich jeweils um ...