Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei Zuweisung der Ehewohnung während des Getrenntlebens ist dem Gesichtspunkt Rechnung zu tragen, dass vor Ablauf des Trennungsjahres regelmäßig keine Verhältnisse geschaffen oder gefördert werden sollen, die verbleibenden Chancen auf eine Versöhnung der Ehegatten mehr als notwendig im Wege stehen.
2. Das Alleineigentum eines Ehegatten ist im Rahmen der Gesamtabwägung zwar zu berücksichtigen, führt aber nicht zwingend zum Ausschluss der Mitnutzung des anderen Ehegatten.
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 16.03.2015; Aktenzeichen 50 F 76/15) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Freiburg vom 16.03.2015 (50 F 76/15) wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Verfahrenswert wird festgesetzt auf 3.000 EUR.
Gründe
I. Der Antragsteller wendet sich mit der Beschwerde gegen die Zurückweisung seines Antrages, ihm die Ehewohnung während der Dauer des Getrenntlebens zur alleinigen Nutzung zuzuweisen.
Die Beteiligten haben am... geheiratet. Der Antragsteller ist 58 Jahre, die Antragsgegnerin ist 47 Jahre alt. Sie haben in der Zeit ihres Zusammenlebens das dem Antragsteller allein gehörende Anwesen im... bewohnt. Die räumliche Trennung erfolgte im Zeitraum zwischen Ende August und Mitte September 2014.
Der Antragsteller bezog vorübergehend eine Wohnung im benachbarten Anwesen..., welches gleichfalls in seinem Alleineigentum steht und über eine weitere, als Ferienwohnung ausgestattete Wohnung verfügt. Der Antragsteller verfügt darüber hinaus über eine von ihm seit längerem angemietete Wohnung in der Innenstadt von..., wo er beruflich tätig ist. Nach dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2013 hatte der Antragsteller Einkünfte in der Größenordnung von 700.000 EUR, die Antragsgegnerin in Höhe von 5.615 EUR.
Der Antragsteller macht geltend, dass er das Haus im... bereits seit ca. 10 Jahren, lange vor dem Einzug der Antragsgegnerin bewohnt und dort schon während seiner Jugendzeit stets die Ferien verbracht habe. Er sei emotional an das Haus gebunden. Er sei nur ausgezogen, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Er verweist auf den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums und hat beantragt, ihm die eheliche Wohnung im Anwesen... während der Dauer des Getrenntlebens zur alleinigen Nutzung zuzuweisen, der Antragsgegnerin die Räumung und Herausgabe der Wohnung bis spätestens 30.04.2015 aufzugeben und sie zu verpflichten, die eheliche Wohnung nicht mehr ohne oder gegen seinen Willen zu betreten.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie macht geltend, dass das Haus... nach 4 1/2 Jahren ebenso ihr Zuhause geworden sei. Der Antragsteller verfüge über weitaus größere finanzielle Mittel, insbesondere aber auch über zwei weitere Wohnungen, die er während der Trennungszeit bewohnen könne. Sie habe in den letzten Jahren das Haus... und dessen Außenanlage mitgestaltet und mitgeprägt.
Nach persönlicher Anhörung der Beteiligten hat das AG mit Beschluss vom 16.03.2015 den Antrag mangels Vorliegens einer unbilligen Härte zurückgewiesen. Der dinglichen Rechtsposition des Antragstellers als Alleineigentümer komme zwar besondere Bedeutung zu. Es sei aber zu berücksichtigen, dass dem Haus die Widmung als Ehewohnung anhafte und der Antragsteller auf die Wohnung nicht angewiesen sei.
Mit der dagegen eingelegten Beschwerde verweist der Antragsteller unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags weiter insbesondere darauf, dass die dingliche Rechtsposition des Antragstellers besonders zu berücksichtigen sei. Sie setze die Eingriffsschwelle herab. Die Antragsgegnerin sei nicht auf die Ehewohnung angewiesen. Er habe ihr mehrfach angeboten, dass sie in die schräg gegenüber gelegene Ferienwohnung wechseln könne. Kindesbelange seien vorliegend nicht berührt und die Ursachen der ehelichen Spannungen nicht eindeutig einem Ehegatten zuzuordnen. Es treffe nicht zu, dass ihm zwei weitere Wohnungen zur Verfügung stünden. Die Wohnung in der... Innenstadt nutze er lediglich zur Überbrückung der Mittagspause und für gelegentliche Übernachtungen; er wolle dort nicht leben. Die angefochtene Entscheidung übersehe auch die zeitliche Komponente, da er der Antragsgegnerin schon am 30.08.2014 seinen Trennungswunsch mitgeteilt und die Trennung sofort vollzogen habe. Die Antragsgegnerin spiele auf Zeit und behaupte wahrheitswidrig, dass die Trennung erst zwei Monate später stattgefunden habe. Sie werde alles daran setzen, das Ehescheidungsverfahren zu verzögern. Während dieser Zeit - voraussichtlich über Jahre hinweg - könne sie dann durchgehend in dem im Alleineigentum des Antragstellers stehenden Haus leben. Eine einfachgesetzliche Vorschrift könne das grundgesetzlich geschützte Eigentum nicht einschränken. Der Schutz der Ehe müsse hinter den Schutz des Eigentums zurücktreten, wenn es sich lediglich um eine Ehe und nicht um eine Familie mit Kindern handele.
Die Akten des vorangegangenen,...