Leitsatz (amtlich)
Die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts kann der prozesskostenhilfebedürftigen Partei nicht versagt, oder eine Beiordnung darf nicht auf die bei dem bisherigen Rechtsanwalt noch nicht entstandenen Gebühren beschränkt werden, bevor nicht geprüft wurde, ob der bisherige Rechtsanwalt überhaupt Anspruch auf Vergütung hat (§§ 628 Abs. 1 Satz 2 BGB; 54 RVG). Hat der bisherige Rechtsanwalt nur die Vertretung niedergelegt, ohne entpflichtet worden zu sein (§ 46 Abs. 2 BRAO), ist er auch im Interesse einer Prüfung der Voraussetzungen der §§ 628 Abs. 1 Satz 2 BGB, 54 RVG anzuhalten, seine Entpflichtung zu betreiben und den wichtigen Grund hierfür darzulegen.
Normenkette
ZPO § 121; BRAO § 48 Abs. 2; RVG § 54; BGB § 628 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
AG Weinheim (Beschluss vom 19.04.2006; Aktenzeichen 1 F 79/03 UE) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - FamG - Weinheim vom 19.4.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die angefochtene Entscheidung als Teilentscheidung bezeichnet und das AG angewiesen wird, über die Frage einer Beschränkung der Beiordnung von Rechtsanwalt K., ..., auf bei Rechtsanwältin L., ..., noch nicht angefallene Gebühren erneut zu entscheiden.
Gründe
Das AG hatte der Antragsgegnerin gem. § 121 ZPO Frau Rechtsanwältin L., ... für eine Scheidungssache mit Folgesachen, darunter auch eine dann abgetrennte und jetzt allein noch anhängige Folgesache Unterhalt, beigeordnet. Diese hat unter dem 23.2.2006 dem Verfahrenbevollmächtigten des Antragstellers, Rechtsanwalt D., ... mitgeteilt, dass sie die Antragsgegnerin nicht mehr vertrete und unter demselben Datum der Antragsgegnerin ohne nähere schriftliche Erläuterung eine Kopie dieses Schreibens übermittelt. Eine Mitteilung dieses Vorganges an das AG befindet sich nicht bei den Akten. Die Antragsgegnerin ließ dann unter dem 14.3.2006 durch Rechtsanwalt K. unter Vorlage der beiden Schreiben vom 23.2.2006 beantragen, Rechtsanwältin L. zu entpflichten und ihn beizuordnen. Dies verfügte das AG auch mit dem angefochtenen Beschluss, indessen unter der Beschränkung auf bei Rechtsanwältin L. noch nicht angefallene Gebühren.
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde führt zur Zurückverweisung nach § 572 Abs. 3 ZPO.
1. Widerruft eine Partei die dem ihr beigeordneten Rechtsanwalt erteilte Vollmacht, hat sie Anspruch auf Beiordnung eines anderen Anwalts, wenn ein Grund vorliegt, der auch eine auf eigene Kosten prozessierende Partei zu einem Anwaltswechsel veranlasst hätte.
2. Die Antragsgegnerin hat zwar nicht ausdrücklich die Rechtsanwältin L. erteilte Vollmacht widerrufen; in dem Antrag auf Entpflichtung liegt indessen ein solcher Widerruf, welcher Rechtanwältin L. spätestens durch Mitteilung der Beschwerdeschrift zuging.
3. Ob ein Grund vorliegt, der auch eine auf eigene Kosten prozessierende Partei zu einem Anwaltswechsel veranlasst hätte, hängt auch davon ab, ob und welche Mehrkosten mit dem Anwaltswechsel verbunden sind. Mehrkosten entstehen - für die Staatskasse - dann nicht, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt durch schuldhaftes Verhalten die Beiordnung eines Rechtsanwaltes veranlasst hat (§ 54 RVG; hier noch maßgeblich § 125 BRAGO). Sie entstehen - für den Mandanten - dann nicht, wenn der Rechtsanwalt das Mandatsverhältnis kündigt, ohne durch vertragswidriges Verhalten des Mandanten dazu veranlasst zu sein und seine bisherigen Leistungen für den Mandanten infolge der Kündigung kein Interesse haben (§ 628 Abs. 1 Satz 2 BGB). Davon kann auch bereits dann gesprochen werden, wenn mit der Beauftragung eines anderen Rechtsanwalts bei dem bisherigen angefallene Gebühren bei dem anderen zwangsläufig nochmals entstehen. In beiden Fällen steht der Beiordnung eines anderen Anwalts nichts im Wege.
4. Die Besonderheit der Gebührenberechnung im Verbundverfahren kann hier außer Betracht bleiben. Denn Rechtsanwalt K. ist bereits beigeordnet. Da Rechtsanwältin L. für das allein noch anhängige Unterhaltsverfahren nur Differenzgebühren verlangen kann, also die Differenz zwischen den Gebühren aus dem Gesamtstreitwert des Verbundverfahrens und den Gebühren aus dem addierten Streitwert für das Scheidungsverfahren und den übrigen Folgesachen ohne die Folgesache Unterhalt, können auf die bei Rechtsanwalt K. anfallenden Gebühren auch nur diese Differenzgebühren angerechnet werden; soweit Rechtsanwalt K. deshalb - entgegen seiner Ansicht - tatsächlich auch noch ggü. der Staatskasse selbst dann Gebühren verdienen kann, wenn es bei der angefochtenen Beschränkung bleibt, ist die dies auslösende Beiordnung nicht anfechtbar und bei der Frage nach mit seiner Beiordnung verbundenen Mehrkosten außer Betracht zu lassen.
5. Ob Rechtsanwältin L. die Differenzgebühr liquidieren kann oder nicht, kann deshalb noch nicht entschieden werden, weil sie die Gründe für ihr Vorgehen nicht offen gelegt, insb. entgegen § 48 Abs. 2 BRAO nicht ihre Entpflichtung betrieben hat.
a) Sie durfte das Mandatsverhältnis mit der Antragsgegnerin überhaupt nicht ...