Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Aktenzeichen 20 O 46/20) |
Tenor
1. Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis 03.12.2021.
Gründe
Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO beruht, noch die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 ZPO). Die Rechtssache gebietet keine mündliche Verhandlung, hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Berufungsgerichts.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte deliktsrechtliche Schadenersatzanspruch nebst Zinsen und Kosten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Der geltende gemachte Anspruch gemäß § 826 i.V.m. § 31 analog BGB besteht nicht.
a) Die tatsächliche Ausgestaltung des sogenannten Thermofensters, über welches das klägerische Fahrzeug unstreitig verfügt, führt nicht zu einer Haftung der Beklagten nach § 826 BGB. Zwischen den Parteien ist streitig, ob das Thermofenster so ausgestaltet ist, dass die Abgasreinigung außerhalb des Temperaturbereich von 20 °C bis 30 °C (so der Kläger) oder von -24 °C bis +70 °C sukzessive reduziert wird. Selbst wenn die Behauptung des Klägers zuträfe, hätte sein Klagevorbringen keine Aussicht auf Erfolg.
aa) Zwar ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Beklagte als Herstellerin des Motors um die konkrete Ausgestaltung des Thermofensters von Anfang an weiß. Dabei kann zugunsten des Klägers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren ist (vgl. zu Art. 5 der Verordnung 715/2007/EG auch EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - C-693/18, Celex-Nr. 62018CJ0693). Hieraus allein kann aber noch kein als sittenwidrig zu qualifizierendes Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen abgeleitet werden.
bb) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19 -, juris Rn. 14).
cc) Nach diesen Grundsätzen reicht der Umstand, dass das Fahrzeug des Klägers über ein - hier nur unterstelltes - unzulässiges Thermofenster verfügt, für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben. Der darin liegende Gesetzesverstoß ist auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten für sich genommen nicht geeignet, das Inverkehrbringen des Motors mit der dem Thermofenster zugrundeliegenden Steuerungssoftware als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedarf es vielmehr weiterer Umstände (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19 -, juris Rn. 16). Aus ihnen muss sich jedenfalls ergeben, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (vgl. BGH, Urteil vom 25.05. 2020 - VI ZR 252/19 -, juris Rn. 35).
Im Streitfall liegen keine weiteren Umstände, die das Inverkehrbringen des Motors mit dem unzulässigen Thermofenster als besonders verwerflich erscheinen lassen vor.
(1) Das Thermofenster ist nicht mit einer Prüfstanderkennung verbunden, weshalb dessen Verwendung unter diesem Gesichtspunkt nicht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich...