Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweitschuldnerhaftung nach Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe für den Erstschuldner
Leitsatz (amtlich)
Eine generelle Auslegung der Vorschrift des § 26 Abs. 3 S. 1 FamGKG (entspricht § 31 Abs. 3 S. 1 GKG), dass auch bei nachträglicher Aufhebung von Verfahrenskostenhilfe für den Erstschuldner eine Inanspruchnahme des Zweitschuldners ausscheidet, ist nicht geboten.
Verfahrensgang
AG Waldshut-Tiengen (Beschluss vom 28.10.2015; Aktenzeichen 6 F 14/11) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Waldshut-Tiengen vom 28.10.2015 abgeändert und der Kostenansatz vom 01.06.2015 gegen den Antragsgegner aufgehoben.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Antragsgegner wendet sich gegen seine Inanspruchnahme als Zweitschuldner.
Im zugrunde liegenden Hauptverfahren ging es um einen Streit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden gemeinsamen Kinder. Der Antragstellerin war mit Beschluss vom 20.03.2010 Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden. Nach Anhörung der Beteiligten ordnete das Familiengericht mit Beschluss vom 30.06.2010 die Einholung eines Gutachtens an, das mit Datum vom 31.03.2011 erstattet wurde. Bei der nochmaligen Anhörung erklärten die Beteiligten am 21.06.2011, dass sie ihre Sorgerechtsanträge jeweils zurücknehmen. Mit Beschluss des Familiengerichts vom gleichen Tag wurden die Gerichtskosten den Eltern je zur Hälfte auferlegt. Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wurde mit Beschluss vom 25.07.2011 zurückgewiesen. Die auf den Antragsgegner entfallende Hälfte der Gerichtskosten wurde von diesem bezahlt.
Durch Beschluss des AG Waldshut-Tiengen vom 24.09.2014 wurde die der Antragstellerin bewilligte Verfahrenskostenhilfe gemäß § 76 Abs. 1 FamFG mit § 124 ZPO aufgehoben. Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 07.10.2014 unter der Anschrift in Ühlingen-Birkendorf durch persönliche Übergabe zugestellt.
Die Landesoberkasse teilte dem AG Waldshut-Tiengen mit Schreiben vom 13.05.2015 mit, dass eine Inanspruchnahme der Antragstellerin keinen Erfolg gebracht habe, der Aufenthalt der Antragstellerin sei nicht zu ermitteln. Dies habe eine Überprüfung durch die Polizei vor Ort und eine Nachfrage bei der ehemaligen Vermieterin ergeben.
Daraufhin wurde der Antragsgegner wegen der zweiten Hälfte der Gerichtskosten in Höhe von 3.078,31 EUR als Zweitschuldner in Anspruch genommen. Gegen diesen Kostenansatz hat der Antragsgegner mit Schreiben vom 23.06.2015 Widerspruch eingelegt. Mit weiterem Schreiben vom 12.07.2015 teilte er die neue Adresse der Antragstellerin mit und wies darauf hin, dass diese problemlos über das Einwohnermeldeamt hätte erfragt werden können.
Das Familiengericht Waldshut-Tiengen hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 28.10.2015 den Widerspruch des Antragsgegners als Erinnerung ausgelegt und zurückgewiesen. Für die Antragstellerin ist dort vermerkt "unbekannten Aufenthalts". Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen nach § 26 Abs. 2 FamGKG vorliegen würden, da die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der Antragstellerin erfolglos geblieben sei und auch aussichtslos erscheine. Der Beschluss wurde dem Antragsgegner am 13.11.2015 zugestellt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich das Rechtsmittel des Antragsgegners mit Schriftsatz vom 22.11.2015, eingegangen beim Familiengericht am 25.11.2015. Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, dass er schon mit Schreiben vom 12.07.2015 die aktuelle Adresse der Antragstellerin mitgeteilt habe. Eine Beitreibung dort sei nicht einmal versucht worden. Zugleich verweist er auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.05.2012.
Das AG hat mit Verfügung vom 26.11.2015 dem Rechtsmittel des Antragsgegners nicht abgeholfen und auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Zu den Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Die Beschwerde des Antragsgegners ist gem. § 57 Abs. 2 S. 1 FamGKG zulässig und in der Sache auch begründet.
1. Zu Recht macht der Antragsgegner mit seinem Rechtsmittel geltend, dass die Voraussetzungen für die Kostenfestsetzung gegen ihn derzeit nicht vorliegen. Gem. § 26 Abs. 2 S. 1 FamGKG soll die Haftung eines Zweitschuldners nur geltend gemacht werden, wenn die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Erstschuldners erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint. Es handelt sich dabei um eine Ordnungsvorschrift, die allerdings für die Staatskasse eine Amtspflicht begründet (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage 2014, § 31 GKG Rn. 8) und daher bindend ist (OLG Stuttgart vom 10.05.2001 - 8 W 364/2000, juris Rn. 5).
Eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen der Antragstellerin hat hier nicht stattgefunden. Es ist aber auch nicht ersichtlich, dass eine solche aussichtslos erscheint. Die voraussichtliche Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung muss unter ...