Leitsatz (amtlich)
Durch eine Sorgerechtsvollmacht kann die gemeinsame elterliche Sorge nur dann beibehalten und eine Entscheidung nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB vermieden werden, wenn die Vollmacht auf der Grundlage einer Vereinbarung der Eltern erteilt wurde.
Verfahrensgang
AG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 39 F 1158/14) |
Tenor
1. Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten erhalten Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme bis 29.4.2015. Dem Antragsgegner wird anheimgestellt, seine Beschwerde zurückzunehmen.
Gründe
I. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die elterliche Sorge für das Kind L..
L. ist das gemeinsame Kind der seit 2007 miteinander verheirateten Antragstellerin und des Antragsgegners. Seit der ersten Trennung der Eltern im Sommer 2010 lebt L. bei der Mutter. Der Antragsgegner wohnte in der Zeit von September 2011 bis 1.5.2012 wieder bei der Antragstellerin in der gemeinsamen Wohnung. Die Ehe der Eltern wurde am 27.3.2014 rechtskräftig geschieden. Zwischen dem Antragsgegner und seinem Sohn besteht seit Mai 2013 kein Kontakt mehr.
Der Antragsgegner ist seit 16.10.2013 in der Justizvollzugsanstalt ... inhaftiert. Er verbüßt derzeit eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten aufgrund Urteils des AG - Schöffengericht -... vom 1.10.2014 wegen gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung, Betrugs in 33 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 24 Fällen (...).
Mit Beschluss vom 23.7.2014 hat das Familiengericht Freiburg der Antragstellerin auf deren Antrag die elterliche Sorge für das Kind L. übertragen. Auf die Feststellungen sowie die Gründe der Entscheidung wird Bezug genommen.
Gegen diesen ihm am 24.7.2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit am 5.8.2014 beim AG eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Er strebt die Aufhebung des Beschlusses an. Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass das Verhältnis der Eltern derzeit zwar schwierig, nicht aber nachhaltig gestört sei. Bis zur Inhaftierung des Antragsgegners habe es keine Schwierigkeiten, etwa im Zusammenhang mit Schule oder Kindergarten, oder Auseinandersetzungen zwischen den Eltern gegeben. Es sei deshalb davon auszugehen, dass es auch künftig nicht zu Meinungsverschiedenheiten kommen werde. Ein Kontakt zwischen dem Antragsgegner und seinem Sohn sei nicht zustande gekommen, da die Eltern das Kind nicht mit der Tatsache der Inhaftierung des Antragsgegners konfrontieren wollten. Die seitens der Antragstellerin erhobene Anzeige gegen den Antragsgegner bei der Staatsanwaltschaft ... wegen zahlreicher Droh-SMS u.a. entbehre jeder Grundlage und stehe ausschließlich im Zusammenhang mit der Weigerung des Antragsgegners, der Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter zuzustimmen. Der Antragsgegner habe der Mutter im Übrigen am 21.7.2014 eine umfassende Vollmacht erteilt.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegen getreten und verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Die Antragstellerin trägt vor, dass das Verhältnis der Eltern irreparabel zerstört sei. Der Antragsgegner habe kein Interesse an seinem Sohn. Aus diesem Grund habe es auch kaum relevante Streitpunkte in Erziehungsfragen sowie Meinungsverschiedenheiten gegeben. Aus Angst vor dem Antragsgegner sei es zu keinen Auseinandersetzungen gekommen. Die Antragstellerin hält trotz Vollmachtserteilung an ihrem Antrag auf Übertragung der Alleinsorge fest.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Akten des Familiengerichts Freiburg (Umgangsverfahren:...) sowie die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft ... (...) wurden beigezogen.
II. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 114, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung auf die Mutter entspricht dem Wohl des Kindes am besten, § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.
1. Bei dauerndem Getrenntleben ist gem. § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB einem Elternteil auf seinen Antrag auch ohne Zustimmung des anderen Elternteils die elterliche Sorge allein zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass zum einen die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und zum anderen deren Übertragung auf den Antragsteller dem Kindeswohl am besten entspricht (Palandt/Götz, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1671 Rz. 12; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl. 2015, § 1671 BGB Rz. 32 ff.; Staudinger/Coester, BGB, 2009, § 1671 Rz. 103 f.).
a) Unverzichtbare Grundvoraussetzung für eine Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist, dass zwischen den Eltern objektiv Kooperationsfähigkeit und subjektiv Kooperationsbereitschaft besteht; nur so kann die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach der Trennung der Eltern dem Kindeswohl dienen (BGH FamRZ 1999, 1646). Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt somit ein M...