Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag auf Erteilung eines Erbscheins. Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Erbscheins. Ausschlagung der Erbschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Wegen des gewöhnlichen Aufenthalts sowohl des Erblassers wie der Beteiligten und deren Eltern in der damaligen Bundesrepublik bestimmt sich die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten, deren gesetzliche Vertretung und die Erbfolge nach bundesdeutschem Recht.

 

Normenkette

EGBGB Art. 236 § 1

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Beschluss vom 27.09.1994; Aktenzeichen 11 T 511/93)

 

Tenor

1. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten … wird der Beschluß des Landgerichts Karlsruhe vom 27.9.1994 – 11 T 511/93 – aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats an das Landgericht Karlsruhe zurückverwiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf DM 100.000,– festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligte ist die Schwester des am 5.12.1962 ledig und kinderlos verstorbenen Erblassers. Die Eltern der Beteiligten haben am 15.01.1963 die Erbschaft für sich und für die damals 19-jährige Beteiligte als deren gesetzliche Vertreter ausgeschlagen.

Die Beteiligte hat mit Erklärung vom 19.10.1992 die von ihren Eltern für sie erklärte Ausschlagung angefochten und einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin auf Ableben des Erblassers ausweist. Sie habe erst am 7.10.1992 von den Ausschlagungserklärungen ihrer Eltern und dem zwischenzeitlichen Anfall der Erbschaft an sie selbst erfahren.

Das Nachlaßgericht hat den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Die Beteiligte könne die Ausschlagungserklärungen ihrer Eltern nicht anfechten, weil diese Erklärungen nicht von Willensmängeln beeinflußt seien. Ihre gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde hat die Beteiligte darauf gestützt, ihre Mutter habe seinerzeit bei der Abgabe der Erklärung nicht gewußt, daß sie als gesetzliche Vertreterin auch für die Beteiligte die Ausschlagung erkläre. Der verstorbene Vater der Beteiligten habe die Angelegenheit allein in die Hand genommen und ihrer Mutter erklärt, es gelte nur die Nutzung eines in der damaligen DDR belegenen Grundstücks zu sichern. Zum Beweis hat sich die Beteiligte auf das Zeugnis ihrer Mutter berufen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß die Beschwerde zurückgewiesen. Es hat davon abgesehen, die als Zeugin benannte Mutter der Beteiligten zu vernehmen, und seine Entscheidung u. a. auf folgende Erwägungen gestützt: Es sei höchst unwahrscheinlich, daß die Mutter der Beteiligten die deutlich als solche gekennzeichnete und überschaubare Ausschlagungserklärung nicht zur Kenntnis genommen habe. Ferner könne man eine ungelesen unterschriebene Erklärung nicht wegen Irrtums anfechten. Jedenfalls fehle es an der Kausalität zwischen einem etwaigen Irrtum und der Abgabe der Erklärung, weil die Mutter der Beteiligten nach deren eigenem Vortrag völlig unter dem Einfluß des Vaters gestanden und sich dessen Entscheidungen ohnehin gefügt habe. Auch eine arglistige Täuschung komme nicht in Betracht. Der Vater der Beteiligten habe offenbar das Beste der Familie gewollt und es wegen seines bestimmenden Einflusses nicht nötig gehabt, die Mutter zu täuschen.

Mit ihrer weiteren Beschwerde verfolgt die Beteiligte ihren Erbscheinsantrag weiter und rügt insbesondere, das Beschwerdegericht habe den Antrag, ihre Mutter als Zeugin zu vernehmen, nicht übergehen dürfen.

Wegen des Sachverhalts im übrigen und des Vortrages der Beteiligten wird auf den angefochtenen Beschluß des Landgerichts Karlsruhe und den Beschluß des Nachlaßgerichts verwiesen, ferner ergänzend auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Nachlaßakten.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 27 Abs. 1, 28 Abs. 1, 29 Abs. 1, 20 Abs. 2 FGG). Sie ist auch begründet, weil die angefochtene Entscheidung auf einer Gesetzesverletzung beruht.

1. Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht festgestellt, daß auf die Erbfolge, die Ausschlagung der Erbschaft und die Anfechtung der Ausschlagung bundesdeutsches Recht anzuwenden ist. Gemäß Art. 236 § 1 EGBGB bleibt das bisherige internationale und damit auch interlokale Privatrecht anwendbar. Wegen des gewöhnlichen Aufenthalts sowohl des Erblassers wie der Beteiligten und deren Eltern in der damaligen Bundesrepublik bestimmt sich die Geschäftsfähigkeit der Beteiligten, deren gesetzliche Vertretung und die Erbfolge nach bundesdeutschem Recht (Art. 7, 19, 24 EGBGB a. F.; dazu etwa Soergel/Kegel, 11. Aufl., Art. 7 Rdnr. 35, Art. 19 Rdnrn. 21, 22, und Art. 24, Vorbem. Rdnr. 136).

Danach haben, wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist, die Eltern in Gesamtvertretung für die Beteiligte die Erbschaft zunächst wirksam ausgeschlagen (§§ 1942 Abs. 1, 1945, 1944, 1629 – in der Modifikation durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1643 Abs. 2 Satz 2 BGB). Ferner konnte die Beteiligte fristgerecht (§ 1954 Abs. 1, 2, 4 BGB) die für sie von ihrer Mutter abgegebene Ausschlagungserklärun...

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