Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertretung des Kindes bei der Geltendmachung von Unterhalt im Wechselmodell

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Geltendmachung von Kindesunterhalt im paritätischen Wechselmodell bei verheirateten Eltern ist, sofern man in § 1629 Abs. 3 BGB nicht auf das Tatbestandsmerkmal der Obhut ohnehin verzichtet, die Vorschrift des § 1629 Abs. 3 BGB analog anzuwenden.

 

Normenkette

BGB § 1629

 

Verfahrensgang

AG Emmendingen (Beschluss vom 20.11.2023; Aktenzeichen 4 F 194/23)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Emmendingen vom 20.11.2023 in Ziffer 1 des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Antrag der Antragstellerin auf vorläufige Übertragung der Befugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt wird abgewiesen.

Der Hilfsantrag der Antragstellerin auf Einsetzung eines Ergänzungspflegers wird abgewiesen.

II. Die Antragstellerin und der Antragsgegner tragen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Eltern streiten darüber, wer von ihnen den Kindesunterhalt betreffend ihre Söhne geltend machen darf.

Die miteinander verheirateten Antragstellerin und Antragsgegner sind die Eltern von vier Söhnen:

Die Eltern sind beide als Lehrer erwerbstätig. Das Einkommen des Antragsgegners ist höher, da er zu 100 Prozent, die Antragstellerin hingegen zu 75 Prozent erwerbstätig ist.

Spätestens im Jahr 2020 trennten sich die Eltern. Im August 2023 zog die Antragstellerin zu ihrem neuen Lebensgefährten.

Der Antragsgegner lebt weiterhin in dem gemeinsamen Einfamilienhaus. Die drei jüngsten Söhne gehen in xxx zur Schule, der Älteste in xxx. Der jüngste Sohn ist mittwochs- und donnerstags für die Nachmittagsbetreuung der verlässlichen Grundschule angemeldet. Wenn die Söhne in Betreuungszeiten der Antragstellerin Schule haben, fährt diese sie zur Schule und holt sie ab. Ihre Hobbies üben die Söhne vorrangig in xxx aus.

Die Eltern haben sich darauf verständigt, dass ihre Söhne sich in den geraden Wochen mittwochs nach der Schule bis freitagmorgens bei der Antragstellerin und in den ungeraden Wochen mittwochs nach der Schule bis montagmorgens bei der Antragstellerin aufhalten und in der übrigen Zeit vom Antragsgegner versorgt werden.

Die Antragstellerin will dieses Modell beibehalten, der Antragsgegner favorisiert inzwischen ein Residenzmodell mit überwiegendem Aufenthalt der Söhne bei ihm.

Die Antragstellerin will (anders als der Antragsgegner) Unterhalt für die Kinder geltend machen und beantragte im einstweiligen Anordnungsverfahren, ihr hierfür die Entscheidungskompetenz zu übertragen. Der Antragsgegner trat dem Antrag entgegen.

Mit Beschluss vom 20.11.2023 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Emmendingen im einstweiligen Anordnungsverfahren der Antragstellerin vorläufig die Befugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt für die Söhne gemäß § 1628 BGB übertragen.

Gegen den ihm am 21.11.2023 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 05.12.2023 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde.

Der Antragsgegner trägt vor, dass ein Wechselmodell entgegen der Absprache tatsächlich nicht gelebt werde, vielmehr betreue er überwiegend die Söhne. Sie suchten ihn, teilweise ohne Wissen der Antragstellerin, bei Schulentfall sowie an Mittwoch-, Donnerstag- und Freitagnachmittagen in ihrer freien Zeit auf. Er fahre sie sodann auch zu Freizeitaktivitäten und bringe sie zum Bahnhof. Sie sei daher gar nicht aktivlegitimiert. Selbst wenn das Gericht von einem Wechselmodell ausgehen sollte, sei ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Bei konflikthaften, hochstrittigen Unterhaltsverfahren komme eine Übertragung der elterlichen Sorge gemäß § 1628 BGB nicht in Betracht.

Der Antragsgegner beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise einen Ergänzungspfleger zu bestellen.

Der Antragsgegner könne nicht einseitig vom vereinbarten Wechselmodell abweichen.

Die Einzelrichterin hat die Eltern und das Jugendamt angehört.

Die Vertreterin des Jugendamtes hat mit den Kindern gesprochen, die ihr gegenüber den Wunsch äußerten, das bisherige Modell solle fortgeführt werden und die Eltern weniger streiten.

Die Eltern streiten in einem anderweitigen Verfahren über die Höhe der vom Antragsgegner an die Antragstellerin zu zahlenden Nutzungsentschädigung und sind über die Bewertung der gemeinsamen Immobilie uneins.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. 1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 57 FamFG statthaft und auch im übrigen zulässig, der Antragsgegner ist insbesondere beschwerdeberechtigt.

a) Gemäß § 59 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

Es kommt insoweit nicht darauf an, ob das geltend gemachte materielle Recht des Beschwerdeführer...

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