Leitsatz (amtlich)
Bei der Geltendmachung von Kindesunterhalt im paritätischen Wechselmodell bei verheirateten Eltern ist, sofern man in § 1629 Abs. 3 BGB nicht auf das Tatbestandsmerkmal der Obhut ohnehin verzichtet, die Vorschrift des § 1629 Abs. 3 BGB analog anzuwenden.
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin werden der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg im Breisgau vom 24.01.2024 in Ziffer 2 des Tenors und das Verfahren insoweit aufgehoben und die Sache an das Familiengericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - zurückverwiesen.
2. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.703 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Eltern streiten um die Befugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt.
Die miteinander verheirateten Antragstellerin und Antragsgegner sind die Eltern von vier Kindern, von denen eines noch minderjährig ist. Das Scheidungsverfahren zwischen den Beteiligten ist anhängig (Az. 39 F 2485/23 AG Freiburg). Die minderjährige Tochter L. M. A. H., geb. ... 2011, wird von den Beteiligten im hälftigen Wechselmodell betreut.
Im vorliegenden Verfahren macht die Antragstellerin für sich und in eigenem Namen für die minderjährige Tochter L. Unterhalt im Wege des Stufenantrags geltend. Sie trägt vor, der Antragsgegner habe auf eine außergerichtliche Aufforderung zur Auskunftserteilung nicht reagiert.
Das Familiengericht ordnete das schriftliche Vorverfahren an. Mit dem angefochtenen Teil-Versäumnisbeschluss und Teil-Endbeschluss vom 24.01.2024 verpflichtete es in Ziffer 1 des Tenors im Wege der Säumnis den Antragsgegner zur Auskunft im Rahmen des Trennungsunterhalts. In Ziffer 2 des Tenors wies es den Stufenantrag auf Auskunft und Zahlung von Kindesunterhalt als unzulässig ab, da die Antragstellerin das minderjährige Kind im paritätischen Wechselmodell nicht vertreten könne. Der Beschluss wurde der Antragstellerin zugestellt am 26.01.2024.
Gegen Ziffer 2 des Tenors des Beschlusses vom 24.01.2024 richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin mit Anwaltsschriftsatz vom 23.02.2024, eingegangen beim Familiengericht am gleichen Tag. Die Antragstellerin sei berechtigt, für das Kind Auskunft und Zahlung zu verlangen. Es werde beantragt, der Beschwerde abzuhelfen und einen entsprechenden Beschluss zu erlassen. Außerdem hat die Antragstellerin die Zurückverweisung an das Familiengericht beantragt.
Der Antragsgegner - nunmehr anwaltlich vertreten - beantragt,
die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen. Der Antrag der Antragstellerin sei unzulässig.
Der Senat hat die Beteiligten auf den Beschluss des Senats vom 15.03.2024 (Az. 5 UF 219/23) hingewiesen und darauf, dass voraussichtlich ohne erneute mündliche Verhandlung entschieden wird.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. 1. Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff., 117 FamFG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Die Antragstellerin ist in einem eigenen Recht nach § 59 FamFG betroffen, da ihr Antrag abgewiesen wurde.
2. Auf die Beschwerde der Antragstellerin ist das Verfahren unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Amtsgericht - Familiengericht - zurückzuverweisen.
a) Die Entscheidung beruht, nachdem der Antragsgegner sich nunmehr anwaltlich vertreten gegen den Antrag der Antragstellerin verteidigt, nicht mehr auf der Säumnis des Antragsgegners.
b) Die Antragstellerin ist befugt, den Kindesunterhalt für die minderjährige Tochter geltend zu machen.
In der vorliegenden Konstellation eines paritätischen Wechselmodells verheirateter Eltern ist die Vorschrift des § 1629 Abs. 3 BGB (analog) anzuwenden.
aa) Die Vorschrift des § 1629 Abs. 3 BGB ist hier nach herrschender Lehre wohl nicht unmittelbar anwendbar. Obwohl § 1629 Abs. 3 BGB nach seinem Wortlaut nicht voraussetzt, dass der Kindesunterhalt begehrende Elternteil Obhüter ist, ergibt sich nach allgemeiner Ansicht das Tatbestandsmerkmal der Obhut des Elternteils, der Unterhaltsansprüche geltend macht, aus dem systematischen Zusammenhang mit Abs. 2 S. 2 (vgl. etwa Grüneberg/Götz, BGB, 83. Auflage 2024, § 1629 Rn. 28; MünchKomm/Huber, BGB, 9. Auflage 2024, § 1629 Rn. 93; Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht, 7. Auflage 2020, § 1629 BGB Rn. 17; OLG Brandenburg vom 17.09.2019 - 13 UF 154/19, juris Rn. 7). An einer Obhut eines Elternteils fehlt es hier.
(1) Der Begriff der Obhut knüpft an die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse an. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der mithin die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes nach Pflege, Verköstigung, Kleidung, ordnender Gestaltung des Tagesablaufs und ständig abrufbereiter emotionaler Zuwendung vorrangig befriedigt oder sicherstellt. Wenn die Eltern ihr Kind in der Weise betreuen, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (Wechselmodell), lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht erm...