Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit Berufungsbeschränkung nach Gesetzesänderung. Zu den Auswirkungen des Inkrafttretens des Cannabisgesetzes auf die Wirksamkeit einer Beschränkung der Berufung gegen eine Verurteilung wegen Handeltreibens mit Cannabis
Leitsatz (amtlich)
1. Beim Handeltreiben mit Cannabis steht der Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung auf den Strafausspruch nicht das zwischenzeitliche Inkrafttreten des Cannabisgesetzes entgegen, wenn die Tat auch nach neuem Recht strafbar ist (entgegen BayObLG).
2. Bei der rechtlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht findet jedoch § 354a StPO entsprechende Anwendung.
3. Bezüglich des Handeltreibens mit Cannabis sind die Regelungen im Konsumcannabisgesetz gegenüber den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes regelmäßig das mildere Gesetz im Sinn des § 2 Abs. 3 StGB.
Normenkette
StPO § 318; StGB § 2 Abs. 3; KCanG § 34
Verfahrensgang
AG Heidelberg (Entscheidung vom 14.06.2023) |
LG Heidelberg (Entscheidung vom 05.01.2024; Aktenzeichen 5 NBs 410 Js 29917/22) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 5.1.2024
- im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Cannabis in sechs Fällen, in einem Fall (Tat 6) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, sowie des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mit Körperverletzung schuldig ist,
- im Strafausspruch mit Ausnahme der zugrundeliegenden Feststellungen und der für die Tat 7 festgesetzten Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer beim Landgericht Heidelberg zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht Heidelberg verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 14.6.2023 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen, davon in einem Fall in nicht geringer Menge, sowie wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mit Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Sichergestellte Rauschmittel (Marihuana und Amfetamin) und das Mobiltelefon des Angeklagten wurden eingezogen, in Höhe von 350 € die Einziehung von Wertersatz angeordnet.
Nach den im amtsgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte in einem Wohnheim in X. bei sechs Gelegenheiten zwischen September und Dezember 2022 Marihuana in Gewinnerzielungsabsicht an eine Vertrauensperson der Polizei veräußert, wobei es vier Mal um Mengen um fünf, einmal um eine Menge um zehn Gramm ging. Bei der letzten Tat verfügte der Angeklagte über eine Verkaufsmenge von ca. 85 Gramm Marihuana mit einem Mindestgehalt von 13,22 Gramm Tetrahydrocannabinol sowie über etwas mehr als hundert Gramm Amfetamingemisch mit einem Gehalt von weniger als 1,31 Gramm Amfetaminbase, die ebenfalls zur gewinnbringenden Veräußerung bestimmt waren. Im zeitlichen Zusammenhang mit dieser Tat widersetzte sich der Angeklagte während der Durchsuchung bei einem Mitbewohner polizeilichen Anweisungen, wobei er einen Polizeibeamten schmerzhaft von sich weg schubste und ihm gegen das Bein trat.
Die Staatsanwaltschaft beschränkte ihre dagegen eingelegte Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch mit dem Ziel einer Straferhöhung. Auch der Angeklagte beschränkte seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch, nahm jedoch die Einziehungsentscheidung vom Rechtsmittelangriff aus.
Unter Verwerfung im Übrigen änderte das Landgericht Heidelberg, das die Berufungsbeschränkungen für wirksam erachtete, das amtsgerichtliche Urteil auf die Berufung des Angeklagten dahingehend ab, dass die Gesamtstrafe auf drei Jahre ermäßigt wurde.
Hiergegen richtet sich die mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision des Angeklagten.
Mit seiner Entscheidung folgt der Senat nach einstimmig getroffener Entscheidung (§ 349 Abs. 2 und 4 StPO) im Wesentlichen dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe in ihrer Antragsschrift vom 22.4.2024, auf die deshalb zunächst Bezug genommen wird.
1. Nach Auffassung des Senats sind die von beiden Seiten erklärten Beschränkungen auf den Strafausspruch - auch die seitens der Staatsanwaltschaft erklärte Beschränkung war nach dem Inhalt der Begründung in diesem Sinn auszulegen - wirksam.
a) Der Wirksamkeit der Beschränkung stand hinsichtlich der Taten 1 bis 5 (Handeltreiben mit Betäubungsmitteln) nicht entgegen, dass weder das Amtsgericht noch das Landgericht, das an ergänzenden Feststellungen hierzu durch die Beschränkung nicht gehindert war, Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des gehandelten Marihuana getroffen haben (OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 23; OLG Oldenburg NStZ-RR 2008, 117; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 22.11.2023 - 1 Ss 23/23, juris).
b) Entgegen der vom Bayerischen Obersten Landesgericht (Beschluss vom 12.4.2024 - 206 StRR 122/2...