Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung bei Verweisungsbeschluss entgegen der herrschenden Meinung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Verweisungsbeschluss in einem Bauprozess, bei dem das Gericht für den Vergütungsanspruch des Unternehmers - entgegen der herrschenden Meinung - keinen Erfüllungsort am Ort des Bauwerks annimmt, ist nicht willkürlich und daher bindend.
2. Für die Bindungswirkung ist darauf abzustellen, ob der Verweisungsbeschluss bei objektiver Betrachtungsweise vertretbar erscheint; auf die Frage, inwieweit die maßgeblichen Rechtsfragen von dem verweisenden Gericht gesehen und geprüft wurden, kommt es nicht an.
Verfahrensgang
AG Heidelberg (Aktenzeichen 24 C 399/00) |
AG Mannheim (Aktenzeichen 11 C 514/03) |
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das AG Mannheim bestimmt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung von Werklohn nach der Durchführung von Malerarbeiten an einem Bauvorhaben in Ilvesheim (Amtsgerichtsbezirk Heidelberg). Die Beklagte hat ihren Sitz in Mannheim.
Die Klägerin hat zunächst gegen die Beklagte einen Mahnbescheid des AG Stuttgart erwirkt. Im Mahnbescheid ist das AG Heidelberg angegeben als Prozessgericht, an das im Falle des Widerspruchs das Verfahren abzugeben ist. Auf den Widerspruch der Beklagten hat das AG Stuttgart dementsprechend das Verfahren an das AG Heidelberg abgegeben.
Mit Schriftsatz vom 1.8.2003 hat die Klägerin ihren Anspruch begründet und gleichzeitig eine Verweisung des Rechtsstreits an das AG Mannheim beantragt. Das AG Heidelberg hat mit Verfügung vom 1.9.2003 darauf hingewiesen, das AG Mannheim sei örtlich und sachlich zuständig, und gleichzeitig der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Beschluss vom 30.9.2003 hat das AG Heidelberg sich für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das AG Mannheim verwiesen.
Mit Beschlüssen vom 25.11.2003 und vom 23.12.2003 hat das AG Mannheim eine Übernahme des Verfahrens abgelehnt und den Rechtsstreit dem OLG Karlsruhe zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das AG Mannheim vertritt die Auffassung, der Verweisungsbeschluss des AG Heidelberg sei fehlerhaft und nicht bindend. Das AG Heidelberg sei örtlich zuständig gem. § 29 ZPO (Gerichtsstand des Erfüllungsorts). Da die Klägerin ihr Wahlrecht unter den in Betracht kommenden Gerichtsständen bereits im Mahnbescheidsantrag ausgeübt habe, komme eine Verweisung des Rechtsstreits durch das Gericht des Erfüllungsorts (AG Heidelberg) an das Gericht des Sitzes der Beklagten (AG Mannheim) nicht in Betracht.
II. Zuständig ist das AG Mannheim.
1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das AG Heidelberg als auch das AG Mannheim haben sich jeweils rechtskräftig für örtlich unzuständig erklärt. Die Zuständigkeit des OLG Karlsruhe zur Gerichtsstandsbestimmung ergibt sich aus § 36 Abs. 1 ZPO.
2. Die örtliche Zuständigkeit des AG Mannheim beruht auf § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO. Das AG Mannheim ist zuständig geworden durch die bindende Entscheidung des AG Heidelberg.
3. Der Beschluss des AG Heidelberg wäre nur dann nicht bindend, wenn er im Sinne der hierzu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze als objektiv willkürlich anzusehen wäre (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 281 Rz. 17). Diese Voraussetzungen für eine fehlende Bindungswirkung kann der Senat im vorliegenden Fall jedoch nicht feststellen. Die Entscheidung des AG Heidelberg kann nicht als objektiv willkürlich angesehen werden.
a) Das AG Mannheim weist zutreffend darauf hin, dass die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung bei der Errichtung eines Bauwerks und bei Handwerkerleistungen an einem Bauwerk den Ort des betreffenden Gebäudes als gemeinsamen Erfüllungsort ansieht, auch für die Zahlungsverpflichtungen des Auftraggebers (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 29 Rz. 25 "Bauwerkvertrag"; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 9. Aufl. 1999, Rz. 418 ff.). Diese Auffassung ist allerdings nicht gänzlich unbestritten. Teilweise wird in Rechtsprechung und Literatur auch die Meinung vertreten, es gebe bei Bauverträgen keinen gemeinsamen Erfüllungsort; gem. § 269 Abs. 1 BGB sei für die Zahlungsverpflichtung des Auftraggebers der Wohnsitz bzw. der Sitz des Auftraggebers bei Vertragsschluss (vgl. die Nachweise bei Werner/Pastor, Der Bauprozess, 9. Aufl. 1999, Rz. 418 ff.; LG Karlsruhe v. 15.6.1990 - O 51/91 KfH III, MDR 1990, 1010) maßgeblich. Die Bedenken gegen die herrschende Meinung werden vor allem damit begründet, dass der rechtliche Gesichtspunkt des "Schwerpunkts des Vertrages", welcher nach der herrschenden Meinung entscheidend für den gemeinsamen Erfüllungsort sein soll, im Gesetz keine ausreichende Stütze finde. Die Rechtsauffassung, Erfüllungsort für die Zahlungsverplichtung sei der Sitz der Auftraggeberin (hier: Mannheim), erscheint unter diesen Umständen zumindest vertretbar. Der dieser Auffassung entsprechende Beschluss des AG Heidelberg vom 30.9.2003 ist mithin nicht willkürlich (vgl. zur Bindung der Verweisung in ein...