Leitsatz (amtlich)

Bei der Berechnung der Obergrenze nach § 15 Abs. 3 RVG hat die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zu erfolgen unabhängig davon, ob im Kostenfestsetzungsverfahren eine Anrechnung nach § 15a Abs. 2 RVG vorzunehmen ist oder nicht.

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Beschluss vom 07.03.2013; Aktenzeichen 2 O 282/12 D)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Konstanz vom 7.3.2013 - 2 O 282/12 D - dahin abgeändert, dass aufgrund des rechtswirksamen Vergleichs des LG Konstanz vom 29.10.2012 von der Beklagten an den Kläger an Kosten weitere 352,70 EUR, somit insgesamt 4.286,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 9.11.2012 zu erstatten sind.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen hat die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 352,70 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit der Klage hat der Kläger eine vorgerichtliche Verfahrensgebühr aus einem Gegenstandswert von 57.405,60 EUR zur Hälfte, also mit einem Gebührensatz von 0,65 i.H.v. 749,95 EUR eingeklagt. Die Parteien haben den Rechtsstreit durch Vergleich beendet, wobei sie hinsichtlich der Kosten vereinbart haben, dass der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits trägt mit Ausnahme der Einigungsgebühr auf Klägerseite, die diese selbst trägt. Der Streitwert wurde auf 60.832,80 EUR festgesetzt und der Mehrwert des Vergleichs auf 13.708,80 EUR (s. AS. 77 ff.).

Mit Kostenfestsetzungsantrag der Klägerseite vom 8.11.2012 (AS. 89 f.) wurde eine 1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 1.459,90 EUR aus dem Ausgangsstreitwert und aus dem Mehrwert des Vergleichs eine 0,8 Gebühr i.H.v. 452,80 EUR. Zur Begründung ist aufgeführt, im gerichtlichen Vergleich habe sich die Beklagte unter § 4 verpflichtet, vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe des nicht anzurechnenden Teils der Geschäftsgebühr i.H.v. 0,65 zu bezahlen. Folglich könne im Festsetzungsantrag nach § 15a RVG die Festsetzung der ungekürzten Verfahrensgebühr i.H.v. 1,3 beantragt werden. Die Kontrollrechnung gem. § 15 Abs. 3 RVG für die Obergrenze der Gebühr für die Protokollierung einer Einigung gem. § 13 RVG, Nr. 3101 Nr. 2, 3100 RVG-VV erfolge jedoch nach Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr.

Die Rechtspflegerin hat demgegenüber darauf hingewiesen (AS. 93), dass bei einer Geschäftsgebühr, die zur Hälfte tituliert sei, im Kostenfestsetzungsverfahren keine Anrechnung stattfinde, richtigerweise sei deshalb eine volle 1,3 Verfahrensgebühr angesetzt worden. Allerdings könne dann auch keine Anrechnung erfolgen, wenn es um die Berechnung der Obergrenze nach § 15 Abs. 3 RVG gehe. Folglich wäre die Verfahrensgebühr Nr. 3101 Nr. 2 RVG-VV auf 100,10 EUR zu kürzen, da die Obergrenze bei maximal 1.560 EUR liege (1,3 Verfahrensgebühr aus 74.541,60 EUR = 1.560 EUR) und die Einzelansätze in der Summe 1.912,70 EUR ergäben.

Daraufhin hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 3.12.2012 (AS. 113) Stellung genommen und hat ausgeführt, nach der Kommentierung und der einschlägigen Rechtsprechung habe die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vor der Kontrollrechnung nach § 15 Abs. 3 RVG zu erfolgen, wofür der Klägervertreter sich auf entsprechend angegebene Fundstellen beruft. Er führt aus, es könne für die Ermittlung der Obergrenze gem. § 15 Abs. 3 RVG keinen Unterschied machen, ob eine volle Geschäftsgebühr mit der Klage geltend gemacht und tituliert werde und entsprechend wegen § 15a RVG im Kostenfestsetzungsverfahren nur die geminderte Verfahrensgebühr festgesetzt werden könne oder ob der anrechnungsfreie Teil der Geschäftsgebühr beantragt und zugesprochen werde und dementsprechend die volle Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren festgesetzt werden könne. Entscheidend könne nur sein, ob eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr, welche auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei, angefallen sei oder nicht. Eine andere Handhabung würde zu untragbaren Ergebnissen führen, denn es würden bei Vorliegen derselben Gebührentatbestände Gebühren im betragsmäßig unterschiedlicher Höhe anfallen.

Unter dem 7.3.2013 (AS. 149) erging Kostenfestsetzungsbeschluss, mit der die 0,8 Verfahrensgebühr Nr. 3101 RVG-VV auf 100,10 EUR reduziert wurde. Es wird darauf hingewiesen, dass eine "fiktive Anrechnung" nicht erfolgen könne, wenn es um die Berechnung der Obergrenze nach § 15 Abs. 3 RVG gehe.

Dagegen wendet sich der Klägervertreter mit seiner sofortigen Beschwerde (AS. 161), die er mit Schriftsatz vom 19.6.2013 (AS. 171) begründet hat. Darauf wird Bezug genommen.

Die Rechtspflegerin des LG hat mit Beschluss vom 24.6.2013 (AS. 175) der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist begründet. Auch wenn vorliegend kein Fall gegeben ist, dass im Kostenfestsetzungsverfahren die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr nach § 15a II RVG auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, muss be...

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