Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anrechnung der Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 auf die Verfahrensgebühr
Leitsatz (amtlich)
Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 auf die Verfahrensgebühr nach Vorbem 3 Abs. 4 RVG-VV kommt nur in Betracht, wenn diese im Hauptverfahren tituliert oder der Anrechnungseinwand im Festsetzungsverfahren unstreitig ist (Anschluss KG Berlin, Beschl. v. 17.7.2007 - 1 W 256/07).
Normenkette
RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4; RVG-VV Nrn. 2300, 3100
Verfahrensgang
LG Offenburg (Beschluss vom 27.07.2007; Aktenzeichen 5 O 77/06 KfH) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Offenburg vom 27.7.2007 - 5 O 77/06 KfH - dahin abgeändert, dass von der Beklagten an die Klägerin 2.770,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 3.7.2007 zu erstatten sind.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 468,74 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Mit Urteil des LG Offenburg vom 27.6.2007 (AS. 307) wurde die Beklagte u.a. zur Zahlung der nichtanrechenbaren vorgerichtlichen Anwaltskosten verurteilt; ihr wurden die Kosten des gesamten Rechtsstreits auferlegt. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 2.7.2007 (AS. 325) hat der Klägervertreter die Festsetzung der Kosten, u.a. eine 1,3-Verfahrensgebühr i.H.v. 787,80 EUR zur Festsetzung beantragt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.7.2007 hat die Rechtspflegerin des LG die Kosten festgesetzt und dabei nur eine 0,65-Verfahrensgebühr zugebilligt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, aufgrund des Beschlusses des BGH vom 7.3.2007 - VIII ZR 86/06 - vermindere sich die im anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr wegen der wegen desselben Gegenstandes entstandenen Geschäftsgebühr. Die Geschäftsgebühr könne im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht berücksichtigt werden.
Dagegen wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie geltend macht, die Rechtspflegerin habe zu Unrecht die Verfahrensgebühr gekürzt. Auf das Urteil des BGH vom 7.3.2007 könne nur Bezug genommen werden, wenn die volle Geschäftsgebühr eingeklagt und auch ausgeurteilt worden sei. Die obsiegende Partei sei nicht allein deshalb, weil auf ihrer Seite bereits eine Geschäftsgebühr angefallen sei, daran gehindert, gegen den unterlegenen Prozessgegner die Verfahrensgebühr in voller Höhe im Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machen (mit Hinweis auf Beschluss des KG Berlin 20.7.2005). Es sei auch kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, warum die unterlegene Partei niedrigere Kosten zu erstatten habe, nur weil der gegnerische Anwalt bereits außergerichtlich das Geschäft für seinen Mandanten betrieben habe (mit Hinweis auf OLG Koblenz Rpfleger 2007, 433). Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts seien nach § 91 Abs. 2 ZPO stets zu erstatten, wozu auch die Verfahrensgebühr gehöre. Diese sei nur zu mindern, wenn eine zuvor verdiente Gechäftsgebühr als materiell-rechtlicher Schadensersatzanspruch in voller Höhe tituliert oder unstreitig außergerichtlich ausgeglichen worden sei (mit Hinweis auf Beschluss des KG Berlin vom 17.7.2007 - 1 W 256/07).
Die Beklagte ist der Beschwerde entgegengetreten (AS. 355).
Mit Beschluss vom 4.9.2007 (AS. 365) hat die Rechtspflegerin der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, bereits dann, wenn eine 1,3-Geschäftsgebühr angefallen sei, entstehe die Verfahrensgebühr lediglich noch in Höhe einer 0,65-Gebühr. Unbeachtlich sei für das Kostenfestsetzungsverfahren, ob die Geschäftsgebühr lediglich zur Hälfte eingeklagt und ausgeurteilt worden sei. Es könnten nur Gebühren berücksichtigt werden, die entstanden seien.
II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist begründet und führt zur Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses dahin, dass die Verfahrensgebühr in voller Höhe festzusetzen ist.
Auch nach dem Urteil des BGH vom 7.3.2007 - VIII ZR 86/06 (JurBüro 2007, 357) ist dann, wenn nur der nicht anrechenbare Teil der Geschäftsgebühr (Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV) mit eingeklagt und auch zugesprochen wurde, die volle Verfahrensgebühr Nr. 3100 RVG-VV zugunsten der Erstattungsberechtigten und zu Lasten der erstattungspflichtigen Partei nach §§ 102, 104 ZPO festzusetzen. Der Senat folgt insoweit dem KG (Beschl. v. 17.7.2007 - 1 W 256/07 - juris-Ausdruck; ebenso Enders in seiner Anmerkung zum Beschluss des OLG Koblenz vom 15.3.2007 - JurBüro 2007, 429), das in Kenntnis des Urteils des BGH vom 7.3.2007 mit überzeugender Begründung die Auffassung vertreten hat, dass die obsiegende Partei, wenn nicht ein Ausnahmefall vorliege, in dem die volle Geschäftsgebühr durch Urteil tituliert oder - was dem gleichzustellen sei - unstreitig bezahlt worden sei, nicht daran gehindert sei, im Kostenfestsetzungsverfahren die volle Verfahrensgebühr geltend zu machen. Sinn und Zweck der Anrechnungsregel in der V...