Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Aktenzeichen 7 O 292/18) |
Tenor
1. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
2. Der Streitwert wird auf 17.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Verfügungsklägerin hat im Wege der einstweiligen Verfügung einen Anspruch auf Herausgabe des Quellcodes nebst Zubehör eine noch zu erstellende Webseite geltend gemacht.
Die Verfügungsklägerin ist ein Unternehmen in der Gründungsphase und plant, eine browserbasierte Anwendung für Bauherren und Baupartner anzubieten. Voraussetzung hierfür ist die Erstellung einer Webseite, mit deren Erstellung sie die Verfügungsbeklagte gegen eine Vergütung von insgesamt 62.475,- EUR (brutto) beauftragte.
Nachdem es zu mehreren Verschiebungen des ursprünglichen Fertigstellungstermins und zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien über die letzte Abschlagsrechnung der Verfügungsbeklagten (über brutto 6.507,81 EUR) sowie über die weitere Vertragsabwicklung gekommen war, erklärten beide Seiten wechselseitig die fristlose Kündigung.
Die Verfügungsklägerin hat erstinstanzlich beim Landgericht Karlsruhe die Herausgabe des Quellcodes für die Website einschließlich aller Zusatzkomponenten, Dokumentationen und Tests im Wege der einstweiligen Verfügung beantragt und hierzu geltend gemacht, sie sei zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen. Aufgrund der wirksamen, individuell ausgehandelten vertraglichen Regelungen sei die Verfügungsbeklagte zur Herausgabe verpflichtet. Es liege eine gesteigerte Dringlichkeit vor, die eine Vorwegnahme der Hauptsache ausnahmsweise rechtfertige. Die Klägerin als Startup-Unternehmen sei in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet, da sie ihren Geschäftsbetrieb nicht aufnehmen könne und ihr Investor abzuspringen drohe, der weitere Zahlungen erst nach Fertigstellung der Website leisten wolle.
Die Verfügungsbeklagte hat demgegenüber geltend gemacht, die vertragliche Klausel zur Herausgabe sei unwirksam. Sie werde hierdurch unangemessen benachteiligt, da ihr jegliche Gegenrechte genommen würden. Es handele sich um von der Klägerseite gestellte allgemeine Geschäftsbedingungen. Die Kündigung der Verfügungsklägerin sei unberechtigt erfolgt. Eine besondere Dringlichkeit sei nicht gegeben. Bei dem Investor handele es sich vermutlich um den Vater des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin, der über hinreichendes Vermögen verfüge. Die Verfügungsklägerin habe sich längst auf eine längere Vertragslaufzeit eingerichtet. Eine Fertigstellung der Website durch Dritte würde Monate dauern.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 11.10.2018 die beantragte einstweilige Verfügung erlassen, wonach die Verfügungsbeklagte den Quellcode "einschließlich aller Zusatzkomponenten, Dokumentationen und Tests" an die Verfügungsklägerin herauszugeben habe. Nach summarischer Prüfung habe die Verfügungsklägerin einen vertraglichen Anspruch auf Herausgabe des Quellcodes nebst Zusatzkomponenten. Die Verfügungsklägerin sei zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen. Die Vertragsklausel zur Herausgabe sei wirksam. Es handele sich nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen. Auch wenn die vertraglichen Regelungen vom Anwalt der Verfügungsklägerin vorformuliert worden seien und sich an ähnlich strukturierten Mustertexten orientierten, fehle es jedenfalls am Merkmal des "Stellens" der Vertragsbedingungen. Vielmehr habe die Verfügungsbeklagte einzelne Streichungen im Vertragsentwurf vorgenommen, insbesondere auch in der hier einschlägigen Klausel. Damit habe die Verfügungsklägerin die Regelungen ernsthaft zur Disposition gestellt. Dass sämtliche Änderungswünsche der Gegenseite berücksichtigt worden seien, sei für die Annahme einer Individualvereinbarung nicht erforderlich.
Auch ein Verfügungsgrund im Sinne besonderer Eilbedürftigkeit liege vor. Eine Leistungsverfügung sei insbesondere bei einer Not- oder Zwangslage oder Existenzgefährdung und in den Fällen zulässig, in denen die geschuldete Handlung so kurzfristig zu erbringen sei, dass die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren nicht möglich sei. Das sei hier der Fall. Die Verfügungsklägerin habe glaubhaft gemacht, dass sie ohne Erlass der einstweiligen Verfügung in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet sei. Ohne die Website könne sie ihren Geschäftsbetrieb nicht aufnehmen. Es sei auch glaubhaft gemacht, dass der Investor die weitere Finanzierung von der Fertigstellung der Website abhängig gemacht habe. Auf etwaige wirtschaftliche Risiken für den Investor komme es nicht an; maßgeblich seien die Verhältnisse der Verfügungsklägerin. Die Verfügungsklägerin könne auch nicht auf die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens verwiesen werden. Da zwischen den Parteien erheblicher Streit über den Auftragsumfang, die Vergütungspflicht, die Berechtigung der fristlosen Kündigung, die erbrachten Leistungen, deren Mangelfreiheit sowie eventuelle Schadensersatz- und Gegenforderungen bestehe, sei eine Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren - mit voraussichtlich umfangreicher Beweisaufnahme - nicht bald z...