Leitsatz (amtlich)
Der von einer Entziehung seines Besitzes durch verbotene Eigenmacht Betroffene kann selbst wenn er um den fehlerhaften Besitzer weiß, vielfach nicht verhindern, dass sich dieser kurzfristig und unbemerkt der Sache entledigt, um dem Wiedereinräumungsanspruch des § 861 Abs. 1 BGB zu entgehen. Kommt er deshalb mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu spät und wird die Hauptsache für erledigt erklärt, ist es Ausübung des billigen Ermessens i.S.v. § 91a As. 1 Satz 1 ZPO in reziproker Anwendung des § 93 ZPO die Kostenlast danach auszurichten, ob der Beklagte zur Erhebung der Klage Veranlassung gab. Den Erfolgsaussichten des Antrages kann billigerweise auch dann keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden, wenn sich zugunsten des voraussichtlich Unterlegenen ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch einfach feststellen lässt.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Beschluss vom 28.12.2012; Aktenzeichen 4 O 686/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin wird der Beschluss des LG Dessau-Roßlau vom 28.12.2012 abgeändert:
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsbeklagte.
Der Verfügungsbeklagten werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
Der Streitwert entspricht der Gebührenstufe bis 2.500 EUR.
Gründe
I. Im Januar 2012 erwarb die Verfügungsklägerin von der Verfügungsbeklagten einen VW Transporter zum Kaufpreis von 7.037,18 EUR. Sie leistete eine Anzahlung von 3.000 EUR. Offen blieben 4.037,18 EUR. Das Fahrzeug wurde der Verfügungsklägerin übergeben. Die Verfügungsbeklagte behielt den Kfz.-Brief und die Zweitschlüssel. Mitte September 2012 verschwand das Fahrzeug vom Privatgrundstück eines Mitarbeiters der Verfügungsklägerin. Es stellte sich heraus, dass die Verfügungsbeklagte den VW in Besitz genommen hatte, um ihn wegen des noch nicht vollständig bezahlten Kaufpreises zu verwerten.
Die Verfügungsklägerin forderte die Verfügungsbeklagte zur Herausgabe auf und beantragte schließlich Mitte Oktober 2012 den Erlass einer auf Herausgabe gerichteten einstweiligen Verfügung. Das LG hat dem Antrag mit Beschluss vom 18.10.2012 stattgegeben. Am 20.11.2012 widersprach die Verfügungsbeklagte der einstweiligen Verfügung und behauptete, über den Restkaufpreis hätten die Parteien einen Darlehensvertrag geschlossen, der vorsehe, das Fahrzeug bei Verzug mit den vereinbarten Raten einzuziehen und zu verwerten. So sei die Verfügungsbeklagte vorgegangen, nachdem sie den Darlehensvertrag gekündigt und die Verfügungsklägerin erfolglos zur Herausgabe des Fahrzeugs aufgefordert habe. Schon zur Zeit des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei sie nicht mehr im Besitz des Fahrzeuges gewesen. Sie habe es am 19.9.2012 verkauft.
In der mündlichen Verhandlung vom 17.12.2012 haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Das LG hat daraufhin mit Beschluss vom 28.12.2012 der Verfügungsklägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, denn sie wäre im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen. Die Verfügungsklägerin habe den Besitz der Verfügungsbeklagten am Transporter zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit nicht glaubhaft gemacht. Hieran hätte der Antrag auf Erlass der Herausgabeverfügung scheitern müssen.
Gegen diese, ihrem Prozessbevollmächtigten am 7.1.2013 zugestellte Entscheidung wendet sich die Verfügungsklägerin mit der am 17.1.2013 beim LG eingegangenen sofortigen Beschwerde, der die Einzelrichterin nicht abgeholfen hat.
Nach Auffassung der Verfügungsklägerin habe die Verfügungsbeklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Sie habe ihr den Besitz am Fahrzeug entzogen und nicht nachweisen können, das Fahrzeug bereits am 19.9.2012 veräußert zu haben. Es sei sogar der Beweis des Besitzes der Verfügungsbeklagten geführt. Dies habe materiell-rechtlich und prozessual die Folge, dass die Verfügungsbeklagte nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien die Kosten zu tragen habe.
Die Verfügungsbeklagte verteidigt hingegen die Entscheidung des LG und vertritt die Auffassung, sie habe das Fahrzeug auf Grund des Zahlungsverzuges verwerten dürfen.
II. Die nach §§ 91a Abs. 2 Sätze 1 u. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 Abs. 1 Sätze 1 u. 2, Abs. 2 ZPO zulässige und vom Einzelrichter des Beschwerdegerichts zu entscheidende (§ 568 Satz 1 ZPO) sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des LG sind die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen der Verfügungsbeklagten aufzuerlegen (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Der Ausgangspunkt des LG, wonach über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO zu entscheiden ist, es dabei vor allem darauf ankommt, wer ohne die Erledigung die unterlegene Partei gewesen wäre, und der Erfolg des Antrags der Verfügungsklägerin vom Besitz der Verfügungsbeklagten abhängig war, trifft zu. Nicht genügend berücksichtigt hat die Einzelrichterin allerdings die Billigkeit und in diesem Zusammenhang ...