Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen der Interessenabwägung, die bei der Entscheidung über einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Urteil wegen Patentverletzung vorzunehmen ist, kommt es u.a. auf die dem Beklagten aus der Vollstreckung drohenden Schäden an. Die Gefahr hoher, nicht kompensierbarer Schäden kann zu verneinen sein, wenn der Beklagte vorträgt, er habe die angegriffenen Geräte so abgeändert, dass sie jedenfalls danach von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch mehr machten.

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Urteil vom 18.02.2011; Aktenzeichen 7 O 100/10)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus Ziff. I.1. (Unterlassungstenor), I. 3. (Tenor betreffend Rückruf/Entfernung) und I. 4. (Vernichtungstenor) des Urteils des LG Mannheim vom 18.2.2011 (Az. 7 O 100/10) gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist eine Patentverwertungsgesellschaft. Sie hat im Mai 2007 ein umfangreiches Patentportfolio von der X GmbH erworben, das den technischen Bereich der Mobiltelefonie betrifft. Im Streitfall geht sie aus dem europäischen Patent ... (Klagepatent) vor, dessen Anmeldung aus der Anmeldung zu dem der X GmbH erteilten EP ... abgeteilt und das in der Folge unmittelbar der Klägerin erteilt wurde. Die Beklagte zu 1 ist eine namhafte Herstellerin von Mobiltelefonen, die Beklagte zu 2 ist eine am Vertrieb dieser Mobiltelefone in Deutschland beteiligte Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1. Die Klage richtet sich gegen den Vertrieb sämtlicher UMTS-fähiger Mobiltelefone (angegriffene Ausführungsformen) im Inland.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 18.2.2011, auf das wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das LG die Beklagten wegen Patentverletzung zur Unterlassung, zur Rechnungslegung, zum Rückruf bzw. zur Entfernung patentgemäßer Erzeugnisse aus den Vertriebswegen und zur Vernichtung solcher Erzeugnisse verurteilt und die Entschädigungs- bzw. Schadensersatzpflicht der Beklagten festgestellt. Mit Schriftsatz vom 23.2.2011 haben die Beklagten Berufung eingelegt und - soweit hier von Bedeutung - die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungs-, Rückrufs- bzw. Entfernungs- und Vernichtungstenor beantragt. Die Klägerin ist dem Einstellungsantrag entgegengetreten.

II. Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unbegründet.

Gemäß §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann, wenn gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Berufung eingelegt wird, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt werden. Im Rahmen der demnach zu treffenden Ermessensentscheidung hat das Gericht die widerstreitenden Interessen des Gläubigers einerseits und des Schuldners andererseits abzuwägen. Dabei hat es die Wertentscheidung des Gesetzgebers zu beachten, dass grundsätzlich den Belangen des Vollstreckungsgläubigers der Vorrang gebührt. Der Vorschrift des § 709 Satz 1 ZPO ist zu entnehmen, dass der Vollstreckungsschuldner in aller Regel bereits durch die vom Gläubiger vor der Vollstreckung zu leistende Sicherheit hinreichend geschützt ist. Es entspricht daher gefestigter Rechtsprechung, dass in Fällen, in denen das angefochtene Urteil (wie hier) nur gegen Sicherheitsleistung des Gläubigers vollstreckbar ist, eine Einstellung der Zwangsvollstreckung allenfalls in Ausnahmefällen unter besonderen Umständen in Betracht kommen kann. Zu dieser allgemeinen Erwägung tritt im Bereich des Patentrechts noch die Besonderheit, dass die Laufzeit des Patents und damit das von ihm vermittelte Unterlassungsgebot zeitlich begrenzt ist, weshalb jedenfalls bei einem zeitnahen Ablauf des Schutzrechts jedes Hinausschieben der Zwangsvollstreckung zu einem vollständigen Leerlaufen des Unterlassungsanspruchs führen kann (vgl. BGH GRUR 2000, 862 - Spannvorrichtung; OLG Düsseldorf GRUR 2000, 862).

Der Senat hat in der Vergangenheit in einem - als solchen gekennzeichneten - Einzelfall die Vollstreckung des Unterlassungsausspruchs aus einem von der Klägerin erwirkten erstinstanzlichen Urteil wegen Patentverletzung einstweilen eingestellt (Beschl. v. 11.5.2009 - 6 U 38/09, GRUR-RR 2010, 120 = InstGE 11, 124). Dabei war neben den - unter mehreren Gesichtspunkten als offen gewürdigten - Erfolgsaussichten der Berufung einerseits von Bedeutung, dass das Interesse der Klägerin als Patentverwertungsgesellschaft an der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs nicht in gleicher Weise schutzwürdig erschien wie im Fall eines Teilnehmers auf dem Markt der angegriffenen Vorrichtungen. Andererseits war bei einer Vollstreckung wegen der hohen Umsätze, die die Beklagten mit Mobiltelefonen erzielten, mit unmittelbar eintretenden, außergewöhnlich hohen Schäden zu rechnen, deren Kompensation im Fall der Abänderung des angegriffenen Urteils nicht als sichergestellt erschien, zumal eine vergleichsweise geringe Sicherheitsleistung festgesetzt war.

Im Unterschied zu jenem Fall lässt sich...

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