Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang und Folgen der Wirkungslosigkeit einer bereits ergangenen Endentscheidung nach Antragsrücknahme in der Beschwerdeinstanz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die vom erstinstanzlichen Gericht getroffene Kostenentscheidung ist von der Wirkungslosigkeit der Endentscheidung bei Antragsrücknahme gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 FamFG umfasst.

2. Die Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz kann nach Antragsrücknahme im Beschwerdeverfahren das Beschwerdegericht treffen.

 

Normenkette

FamFG § 22 Abs. 1, 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Waldshut-Tiengen (Beschluss vom 15.12.2022; Aktenzeichen 6 F 137/22)

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Waldshut-Tiengen vom 15.12.2022 (6 F 137/22) zu Ziffern 1 bis 3 wirkungslos ist.

2. Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden nicht erstattet.

3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4. Die Anschlussbeschwerde der sonstigen Beteiligten Frau AB vom 16.02.2023 hat durch die Antragsrücknahme der Antragstellerin ihre Wirkung verloren.

5. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Verfahrens sind schuldrechtliche Ausgleichsansprüche gegen den Versorgungsträger nach Tod der ausgleichspflichtigen Person.

Die am 28.11.1981 geschlossene Ehe der Antragstellerin mit Herrn M, verstorben am 16.01.2021, wurde mit Urteil des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen vom 10.12.2004 (4 F 383/03) geschieden. Dort wurde der Versorgungsausgleich wie folgt geregelt:

"2. Die Parteien haben sich dahingehend geeinigt, dass zum Ausgleich der Pensionskasse des Ehemannes bei der Kantonalen Pensionskasse ... bezogen auf die Ehezeit vom 01.11.1981 bis zum 31.10.2003 auf das Vorsorgekonto der Ehefrau bei der Standard Life Lebensversicherung (Konto-Nr. ... bei der Deutschen Bank Frankfurt, BLZ ...) ein Betrag von 50.266,07 SFr bezahlt wird.

Im Übrigen wird die Ehefrau auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen."

In zweiter Ehe war Herr M bis zu seinem Tod mit der sonstigen Beteiligten Frau AB (im Folgenden: Anschlussbeschwerdeführerin) verheiratet. Diese bezieht seit dem 01.02.2021 eine Witwenrente der Schweizerischen Ausgleichskasse AHV/IV in Höhe von monatlich 1.346 Schweizer Franken (CHF).

Die Antragstellerin erhält seit dem 01.02.2022 eine Vollrente wegen Alters, deren Höhe am 05.05.2022 monatlich 1.153,80 EUR betrug. Ferner hatte sie im Mai 2022 Einkünfte aus einer Betriebsrente in Höhe von monatlich 107 EUR. Mit Verfügung der Schweizerischen Ausgleichskasse vom 09.01.2023 wurde auch ihr eine Witwenrente für die Zeit ab 01.02.2021 in unbekannter Höhe zugesprochen.

Vor dem Amtsgericht Waldshut-Tiengen (6 F 9/22) hatte die Antragstellerin zunächst von der zweiten Ehefrau ihres geschiedenen Ehemannes Frau AB die Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente verlangt. Mit Sachverständigengutachten vom 24.03.2022 errechnete dort der Sachverständige ... einen Ehezeitanteil des schweizerischen gesetzlichen AHV-Anrechts des verstorbenen Ehemannes der Antragstellerin von monatlich 681 CHF. Den Ausgleichswert (brutto) bezifferte er auf 340,50 CHF pro Monat. Am 01.06.2022 schlossen die Beteiligten im Verfahren 6 F 9/22 des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen einen Vergleich, in welchem sich die dortige Antragsgegnerin Frau AB zur Zahlung eines monatlichen Betrages von 114,21 EUR an die Antragstellerin ab Februar 2022 verpflichtete. Hiermit sollten dem Vergleichstext zufolge die Anrechte des verstorbenen Herr M bei der AHV einerseits und jene der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund andererseits ausgeglichen werden. Gemäß Ziffer 1 des Vergleichs blieb der Ausgleich des Anrechts des Herr M bei der DRV Baden-Württemberg, Versicherungs-Nummer ..., ausdrücklich vorbehalten.

Mit Antrag vom 12.07.2022 beantragte die Antragstellerin daraufhin beim Amtsgericht Waldshut-Tiengen im vorliegenden Verfahren, die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg als Antragsgegnerin zur Auskunft über die dort während der Ehezeit erworbenen Rentenansprüche des verstorbenen Herr M sowie zum Ausgleich der hälftigen Versorgung ab Februar 2022 an sie zu verpflichten. Mit Beschluss vom 15.12.2022 gab das Amtsgericht der Antragsgegnerin auf, an die Antragstellerin vom 01.06.2022 bis zum Ablauf des Monats, der dem Monat folgt, in dem sie Kenntnis von der Rechtskraft der Entscheidung erlangt, aus der Hinterbliebenenversorgung für den verstorbenen Herrn M (Vers. Nr. ...) eine Ausgleichsrente von monatlich 123,00 EUR (brutto) zu bezahlen, soweit die Antragsgegnerin für diesen Zeitraum nicht mit befreiender Wirkung an die sonstige Beteiligte Frau AB geleistet hat (§ 30 Abs. 1 VersAusgIG). Weiter wurde die Antragsgegnerin verpflichtet, von Beginn des zweiten Monats nach Ablauf des Monats an, in dem sie Kenntnis von der Rechtskraft der Entscheidung erlangt, an die Antragstellerin aus der Hinterbli...

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