Leitsatz (amtlich)
1. Eine im Jahr 2023 erklärte Anfechtung einer gerichtlich protokollierten Vereinbarung nach § 1934d BGB a.F. aus dem Jahr 1982 wegen arglistiger Täuschung ist nach § 124 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.
2. Bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit eines solchen Vergleichs nach § 138 Abs. 1 BGB ist die gesetzliche Bemessungsgrundlage des vorzeitigen Erbausgleichsanspruchs des nichtehelichen Kindes nach § 1934d Abs. 2 Satz 1 BGB zu berücksichtigen.
3. Es ist grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Erben gegenüber dem nichtehelichen Kind auf die Wirkungen des § 1934e BGB a.F. berufen.
Normenkette
BGB § 124 Abs. 3, § 138 Abs. 1; BGB a.F. §§ 1934d, 1934e
Verfahrensgang
AG Bad Säckingen (Aktenzeichen 17 VI 49/23) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Bad Säckingen vom 25.07.2023, Az.: 17 VI 49/23, wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligte Ziffer 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 261.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte Ziffer 2 wendet sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Bad Säckingen vom 25.07.2023. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Amtsgericht die zur Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet, wonach die Beteiligten Ziffer 1 und Ziffer 3 Miterben zu je 1/2 nach K geworden sind. Den Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziffer 2, wonach die Beteiligten Ziffer 1 bis Ziffer 3 Miterben zu je 1/3 nach K geworden seien, hat das Amtsgericht zurückgewiesen.
Der am 10.10.1929 geborene K (im Folgenden: Erblasser) verstarb am 20.11.2022 in Rheinfelden (Baden). Er hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Schopfheim. Der Erblasser war seit dem 19.01.1962 in einziger Ehe mit der am 17.11.2013 verstorbenen I, geb. S. verheiratet. Aus der Ehe gingen die Beteiligten Ziffer 1 und Ziffer 3 als Abkömmlinge hervor. Die am 12.11.1957 geborene Beteiligte Ziffer 2 entstammt einer vorehelichen Beziehung des Erblassers mit BK. Der Erblasser erkannte die Vaterschaft der Beteiligten Ziffer 2 an.
Die Beteiligte Ziffer 2 nahm den Erblasser im Klagewege vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen - Az.: 1 O 167/81 - gemäß § 1934d BGB in der Fassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs bis 01.04.1998 (im Folgenden: BGB a.F.) auf vorzeitigen Erbausgleich in Anspruch. Mit gerichtlichem Vergleich vom 29.04.1982 vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen verpflichtete sich der Erblasser zur Abgeltung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs zur Zahlung von insgesamt 8.000 DM. Auf das in Abschrift vorgelegte Protokoll vom 29.04.1982 wird Bezug genommen. Die Akten des Landgerichts sind unterdessen gemäß Aktenordnung vernichtet worden.
Der Erblasser hatte keine letztwillige Verfügung hinterlassen.
Der Beteiligte Ziffer 3 beantragte am 20.02.2023 einen Erbschein, der die Beteiligten Ziffer 1 und Ziffer 3 als Miterben zu je 1/2 nach dem Erblasser ausweisen soll.
Die Beteiligte Ziffer 2 beantragte demgegenüber die Erteilung eines Erbscheins, nach dem die Beteiligten als Miterben zu je 1/3 nach dem Erblasser berufen seien. Sie macht geltend, der gerichtliche Vergleich vom 29.04.1982 sei nichtig. Sie beruft sich auf die mit Schreiben vom 31.05.2023 gegenüber den Beteiligten Ziffer 1 und Ziffer 3 erklärte Anfechtung des Vergleichs vom 29.04.1982 wegen arglistiger Täuschung. Der Erblasser habe die Beteiligte Ziffer 2 bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs über seine tatsächlichen Einkünfte und seine Vermögenslage getäuscht und eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anfechtungserklärung vom 31.05.2023 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 25.07.2023 hat das Amtsgericht Bad Säckingen den Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziffer 2 zurückgewiesen und die zur Erteilung eines Erbscheins gemäß Antrag des Beteiligten Ziffer 3 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Die Beteiligte Ziffer 2 sei nach § 1934e BGB a.F., der wegen Art. 227 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB weiter anzuwenden sei, nicht gesetzliche Erbin geworden. Die Beteiligte Ziffer 2 habe den Vergleich vom 29.04.1982 nicht wirksam angefochten. Die Anfechtungsfrist von zehn Jahren sei abgelaufen. Nach Eintritt des Erbfalls könne die Vereinbarung ohnehin nicht mehr angefochten werden. Auf den Beschluss wird Bezug genommen.
Gegen diesen, ihr am 15.08.2023 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte Ziffer 2 mit ihrer am 13.09.2023 beim Amtsgericht Bad Säckingen eingegangenen Beschwerde. Zur Begründung macht die Beteiligte Ziffer 2 im Wesentlichen geltend, eine wirksame Vereinbarung über den vorzeitigen Erbausgleich liege nicht vor. Der Erblasser sei bemüht gewesen, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu verschleiern. Der im Vergleich vom 29.04.1982 vereinbarte Betrag von 8.000 DM sei nicht angemessen. Den Beteiligten Ziffer 1 und Ziffer 3 sei es jedenfalls nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Vergleich vom 29.04.19...