Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung bei einer Erledigung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer übereinstimmenden Erledigung des Rechtsstreits kann das Gericht für die Kostenentscheidung eine Erstattungspflicht der Beklagten aus materiell-rechtlichen Gründen (z. B. gemäß § 280 Abs. 1 BGB) berücksichtigen.
2. Materielle Erwägungen liegen bei einer Entscheidung gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO insbesondere dann nahe, wenn das erledigende Ereignis schon vor Rechtshängigkeit eingetreten ist.
Verfahrensgang
LG Waldshut-Tiengen (Beschluss vom 27.09.2017; Aktenzeichen 1 O 48/16) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 27.09.2017 - 1 O 48/16 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 08.12.2016 hat der Kläger gegen die Beklagte eine Feststellungsklage erhoben, mit dem Antrag, dass diese ihm Rechtsschutz im Zivilprozess gegen einen Unfallversicherer zu gewähren habe und zwar für die erste Instanz, und insoweit, als der Kläger von dem Versicherer die Zahlung einer Übergangsleistung verlange. Die Beklagte hat mit außergerichtlichem Schreiben vom 19.12.2016 erklärt, sie wolle den verlangten Rechtsschutz gewähren. Der Feststellungsantrag ist der Beklagten am 02.03.2017 zugestellt worden. Die Parteien haben den Rechtsstreit später übereinstimmend für erledigt erklärt.
Mit Beschluss vom 27.09.2017 hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 91 a Abs. 1 ZPO. Es entspreche billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen. Das erledigende Ereignis, nämlich das Schreiben der Beklagten vom 19.12.2016, sei nach Anhängigkeit aber vor Rechtshängigkeit eingetreten. Bei einer übereinstimmenden Erledigung sei jedoch auch ein erledigendes Ereignis zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit zu berücksichtigen. Da die Klage vom 08.12.2016 zum Zeitpunkt der Anhängigkeit - also vor der Leistungszusage der Beklagten - begründet gewesen sei, erscheine es billig, die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten. Sie ist der Auffassung, bei einer Entscheidung nach billigem Ermessen seien die Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Denn der Streit zwischen den Parteien habe sich vorrangig nicht auf eine Kostenzusage der Beklagten für das Verfahren gegen den Unfallversicherer in erster Instanz bezogen, sondern auf die Kosten für das Berufungsverfahren gegen den Unfallversicherer. Insoweit habe die Beklagte erst im April 2017 eine Deckungszusage erteilen können, da der Kläger - hinsichtlich des Berufungsverfahrens gegen den Unfallversicherer - erst zu diesem Zeitpunkt seinen Mitwirkungspflichten gegenüber der Beklagten nachgekommen sei. Die Kosten des Rechtsstreits seien mithin durch Obliegenheitsverletzungen des Klägers gegenüber der Beklagten entstanden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung der Beklagten vom 10.11.2017 verwiesen.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Kläger ist der sofortigen Beschwerde entgegengetreten.
II. Die gemäß § 91 a Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten auferlegt.
1. Bei einer übereinstimmenden Erledigung richtet sich die Kostenentscheidung gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO nach billigem Ermessen des Gerichts. Für die Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelung in § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO kommt es nur darauf an, dass die Parteien entsprechende übereinstimmende Erklärungen abgegeben haben. Die Frage, ob und wann ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, ist nur bei einer sogenannten einseitigen Erledigung zu prüfen; bei einer übereinstimmenden Erledigung hängt die Anwendung von § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO hingegen nicht vom erledigenden Ereignis ab.
2. Zwischen den Parteien war nur der Feststellungsantrag im Schriftsatz des Klägervertreters vom 08.12.2016 rechtshängig. Nur wegen dieses Antrags ist ein Prozessrechtsverhältnis entstanden. Daher ist bei der Ausübung des billigen Ermessens im Sinne von § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO nur zu prüfen, ob und inwieweit der im Schriftsatz vom 08.12.2016 geltend gemachte Anspruch bestand, bzw. inwieweit Ermessensausübungen, die sich auf diesen Feststellungsantrag beziehen, für eine Kostenentscheidung zu Gunsten der einen oder der anderen Partei sprechen.
Es trifft zwar zu, dass zwischen den Parteien zeitweise - außergerichtlich und in einem Prozesskostenhilfeantragsverfahren - auch andere Fragen streitig waren. Streitige Fragen, die nicht Gegenstand des Prozessrechtsverhältnisses waren, haben jedoch den Streitgegenstand nicht bestimmt, spielen für den Streitwert keine Rolle und sind im Rahmen von § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Für die Kostenentscheidung kommt es daher nicht darauf an, ob und inwieweit die Beklagte einen über den A...