Leitsatz (amtlich)

Rügt der Betroffene die Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren wegen Nichtzugänglichmachung des tatörtlichen Beschilderungsplans nebst der zugrundeliegenden verkehrsrechtlichen Anordnung, erfordert eine den Anforderungen des § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügende Verfahrensrüge auch einen Vortrag dazu, inwiefern der Betroffene die begehrten Informationen für die Beurteilung des Ordnungswidrigkeitenvorwurfs im konkret zu beurteilenden Einzelfall für bedeutsam halten durfte.

 

Normenkette

OWiG § 79 Abs. 3 S. 1; StPO § 344 Abs. 2 S. 2; EMRK Art. 6; GG Art. 20 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Karlsruhe (Entscheidung vom 19.10.2023; Aktenzeichen 9 OWi 490 Js 28955/23)

 

Tenor

I. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 19. Oktober 2023 wird als unbegründet verworfen.

II. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Der Betroffene wurde durch Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 19.10.2023 - 9 OWi 490 Js 28955/23 - wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 50 km/h um 41 km/h zu einer Geldbuße von 640,00 € verurteilt. Zugleich wurde - unter Gewährung der Vier-Monats-Frist des § 25 Abs. 2a StVG - ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet.

Hiergegen legte der Betroffene über seinen Verteidiger am 26.10.2023 Rechtsbeschwerde ein, die dieser nach am 16.11.2023 erfolgter Zustellung des Urteils am 12.12.2023 begründete.

Die Rechtsbeschwerde rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Insbesondere sei das Recht auf ein faires Verfahren verletzt, weil dem Betroffenen nicht die Möglichkeit eröffnet worden sei, den Beschilderungsplan der betroffenen Örtlichkeit nebst den zugrundeliegenden verkehrsrechtlichen Anordnungen zu prüfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat in ihrer Stellungnahme vom 16.01.2024 beantragt,die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Der angegriffenen Verurteilung liegt im Wesentlichen folgender Verfahrensgang zugrunde:

Am 09.03.2023 verhängte die Bußgeldbehörde gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 640,00 € und ordnete ein einmonatiges Fahrverbot an. Im Bußgeldbescheid wurde dem Betroffenen zur Last gelegt, am 25.12.2022 um 23.17 Uhr in Karlsruhe auf der K9657 Südtangente Höhe Einfahrt Rüppurr als Führer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen ... eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von 50 km/h um 41 km/h begangen zu haben.

Gegen den Bußgeldbescheid legte der Betroffene am 17.03.2023 durch seinen Verteidiger Einspruch ein. Gleichzeitig beantragte er gegenüber der Stadt Karlsruhe unter anderem die Übersendung des Beschilderungsplans der betroffenen Örtlichkeit sowie die zugrundeliegenden verkehrsrechtlichen Anordnungen. Mit Schreiben vom 06.04.2023 wies die Stadt Karlsruhe - Bußgeldstelle - darauf hin, dass die Informationen zur Beschilderung der Zeugenerklärung zu entnehmen und Verkehrszeichen mit ihrer Aufstellung zu beachten seien, weshalb es auf die verkehrsrechtliche Anordnung nicht ankäme. Einsicht in die begehrten Unterlagen gewährte sie nicht. Mit Schreiben vom 05.05.2023 beantragte der Betroffene unter Bezugnahme auf das bereits gestellte Ersuchen die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 19.07.2023 wurde der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet verworfen, soweit es die Herausgabe und Einsicht in den Beschilderungsplan nebst zugrundeliegender verkehrsrechtlicher Anordnung betraf. Die Bußgeldbehörde habe durch die Vorlage des Messprotokolls dem Auskunftsanspruch des Betroffenen ausreichend Rechnung getragen. Im Übrigen bestehe auch mangels Erheblichkeit für das vorliegende Verfahren kein Anspruch in die Einsicht der verkehrsrechtlichen Anordnung, da es sich um eine - unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit - zu befolgende Allgemeinverfügung handele.

Der in der Hauptverhandlung am 19.10.2023 gestellte Antrag des Betroffenen, den Beschilderungsplan nebst verkehrsrechtlicher Anordnung beizuziehen und das Verfahren auszusetzen, lehnte das Amtsgericht ohne weitere Begründung ab.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die genannten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.

II.

Der Rechtsbeschwerde bleibt der Erfolg versagt.

1. Die vom Betroffenen erhobene Verfahrensrüge genügt schon nicht den Darlegungsvoraussetzungen von § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO.

a. Soweit die Rechtsbeschwerde beanstandet, das Amtsgericht habe seinen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens und Beiziehung des Beschilderungsplans nebst der zugrundeliegenden verkehrsrechtlichen Anordnung nicht ablehnen dürfen, handelt es sich der Sache nach um die Rüge einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (vgl. OLG Karlsruhe Beschl. v. 08.05.2019 - 7 Ss 202/19 -, BeckRS 2019, 9428; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 26.07.2022 - 1 Owi 2 SsBs 84/21 -, juri...

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