Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwachsenenadoption: Beschwerdeberechtigung nach Antragszurückweisung; Sittliche Rechtfertigung; Eltern-Kind-Verhältnis; Motive der Adoption
Leitsatz (amtlich)
1. Hat das VormG die Anträge auf Annahme eines Volljährigen zurückgewiesen, sind sowohl Annehmender als auch Anzunehmender beschwerdeberechtigt.
2. Ein Adoptionsantrag ist abzulehnen, wenn Zweifel am Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses verbleiben.
3. Für die Adoption können zwar auch nicht-familienrechtliche Motive - z.B. die Ersparnis von Erbschaftssteuer - eine Rolle spielen. Als Hauptmotiv können sie eine Adoption aber nicht rechtfertigen.
4. Beim Merkmal der sittlichen Rechtfertigung der Annahme eines Volljährigen als Kind handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der aufgrund einer wertenden Beurteilung der vom Tatrichter festzustellenden Tatumstände auszufüllen ist.
5. Die Beurteilung, ob die vom Tatrichter rechtsfehlerfrei festgestellten Umstände in ihrer Gesamtheit ausreichen, die Merkmale eines unbestimmten Rechtsbegriffs auszufüllen, betrifft eine Rechtsfrage dar und unterliegt der uneingeschränkten Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht.
Normenkette
BGB § 1741 Abs. 1 S. 1, §§ 1767-1768
Verfahrensgang
Tenor
1. Die weitere Beschwerde der Beteiligten Nr. 1 gegen den Beschluss des LG Offenburg vom 15.6.2005 - 4 T 8/05 - wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die am 27.5.1948 geborene Beteiligte Nr. 1 ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Die am 11.12.1917 geborene Beteiligte Nr. 2 war die Schwester des Vaters der Beteiligten Nr. 1 und deren Patentante.
Die Beteiligte Nr. 2 lebte im eigenen Haus in H. (Westfalen). Als sie im Oktober 2000 einen Schlaganfall erlitt, nahm die dort gerade zu Besuch weilende Beteiligte Nr. 1 sie bei sich in G. (Baden) auf. Mit notarieller Urkunde vom 22.3.2001 erteilte die Beteiligte Nr. 2 der Beteiligten Nr. 1 eine umfassende Vorsorgevollmacht. Mit öffentlichem Testament vom 2.5.2001 setzte die Beteiligte Nr. 2 unter Widerruf ihrer bisherigen letztwilligen Verfügungen die Beteiligte Nr. 1 zur Alleinerbin und deren Ehemann zum Ersatzerben ein.
Mit notariell beurkundeten Erklärungen vom 4.2.2002 haben die beiden Beteiligten beim AG - VormG - Gengenbach beantragt, auszusprechen, dass die Beteiligte Nr. 1 von der Beteiligten Nr. 2 als Kind angenommen wird. Die Anträge gingen am 9.2.2002 beim AG ein Am 19.12.2002 verstarb die Beteiligte Nr. 2. Am 18.3.2003 hat das VormG die Beteiligte Nr. 1 und am 17.10.2003 deren Mutter angehört. Mit Beschl. v. 29.12.2003 hat das VormG den Adoptionsantrag der Annehmenden abgelehnt. Diese Entscheidung hat das LG durch Beschl. v. 1.3.2004 - 4 T 35/04 - unter Zurückverweisung der Sache an das VormG aufgehoben. Im weiteren Verlauf wurden die Eheleute H.T. und G.T. durch den ersuchten Richter beim AG H. als Zeugen vernommen sowie der Ehemann der Beteiligten Nr. 1, L.K., sowie die Söhne R.K. und M.K. durch das VormG angehört.
Mit Beschl. v. 21.12.2004 hat das AG den Adoptionsantrag der Beteiligten Nr. 2 erneut abgelehnt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten Nr. 1 hat das LG - nachdem es die Beteiligte Nr. 1 am 25.2.2005 angehört und eine schriftliche Zeugenaussage des Notars Dr. S. herbeigeführt hatte - mit Beschl. v. 15.6.2005 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten Nr. 1 vom 27.6.2005, mit der sie den von ihr gestellten Adoptionsantrag weiterverfolgt.
II. Die statthafte und auch sonst zulässige weitere Beschwerde (§§ 27, 29 FGG) hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die angefochtene Entscheidung begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken.
a) Mit der Rechtsbeschwerde beanstandet die Beteiligte Nr. 1, das LG habe "die Beschwerde der Anzunehmenden gegen den Beschluss des AG Gengenbach vom 21.12.2004 nicht zulässig zurückgewiesen ..., da das AG Gengenbach zu diesem Datum keinen Beschluss erlassen" habe, ein Beschluss sei vielmehr am 29.12.2003 erlassen worden. Diese Rüge beruht - wie sich aus dem oben zu I. dargestellten Verfahrensgang ohne weiteres ergibt - auf einem Irrtum der Beteiligten Nr. 1 bzw. ihrer Anwältin.
I. Mit Recht hat das LG in der Sache entschieden, denn die Erstbeschwerde war zulässig. Insbesondere war die Beteiligte Nr. 1 beschwerdeberechtigt. Zwar hatte das AG ausdrücklich nur über den Adoptionsantrag der Beteiligten Nr. 2 und nicht auch über den der Beteiligten Nr. 1 entschieden. Da es für den Ausspruch der Annahme eines Volljährigen eines hierauf gerichteten Antrags sowohl des Anzunehmenden als auch des Anzunehmenden bedarf (§ 1768 Abs. 1 BGB; Antragskumulierung) und die Beteiligte Nr. 1 auch selbst einen Antrag gestellt hatte, war aber gem. § 20 Abs. 2 FGG auch sie berechtigt, gegen die den Antrag der Beteiligten Nr. 2 ablehnende Entscheidung des VormG Beschwerde einzulegen (B...